01 Arthur und die vergessenen Buecher
regelmäßig überwiesen, und es gibt auch einen Notar, der als Ansprechpartner für die Wohnung dient. Aber selbst der scheint seine Auftraggeber nicht persönlich zu kennen.«
»Mysteriös und mysteriöser«, sagte Larissa, und es schien ihr zu gefallen.
»Damit passt es ja wunderbar zu allem anderen.« Ich konnte meinen Sarkasmus nicht verbergen.
»Zumindest lohnt es sich, einen Blick hineinzuwerfen«, meinte Gerrit. »Aber dafür sollten wir warten, bis es dunkel ist und die Büros leer sind.«
Ich sah nach oben. Die Sonne hatte noch eine ordentliche Strecke bis zum Horizont zurückzulegen.
»Und was machen wir so lange?«, fragte ich.
»Ich wüsste da was«, erwiderte Gerrit. »Es ist ein kleines Spiel. Aber es wird uns die Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit vertreiben.«
Wir hatten keinen anderen Vorschlag und willigten ein. Hätte ich damals gewusst, was Gerrit vorhatte – ich wäre so schnell wie möglich in die andere Richtung gelaufen.
Doch so ging ich mit.
Die leere Bibliothek
Gerrit führte uns quer durch die Stadt. Wie gestern auch, war Amsterdam dicht gefüllt mit Menschen. Wir kamen an Straßenmusikanten vorbei, überfüllten Straßencafés und Museen, vor denen lange Schlangen mit Hunderten von Menschen auf Einlass warteten. Das alles wurde untermalt vom Quietschen der Straßenbahnen, dem Knattern von Mopeds und dem Lärm Tausender Stimmen in allen erdenklichen Sprachen.
Schließlich erreichten wir ein etwas ruhigeres Stadtviertel. Die Häuser hier waren kleiner, die Straßen enger. Es gab nur wenige Geschäfte und noch weniger Autoverkehr. Vor manchen der Häuser standen Blumentöpfe und hölzerne Sitzbänke; hier und da saß eine Katze hinter einem kleinen Sprossenfenster und beobachtete das vorbeiziehende Fußvolk.
»Der Jordaan ist das ehemalige Arbeiterviertel von Amsterdam«, erklärte Gerrit. »Die Arbeiter wohnen allerdings inzwischen in Hochhäusern in den Vorstädten. An ihrer Stelle sind hier Studenten, Künstler und kleine Geschäfte eingezogen.«
Ich verlor schnell die Orientierung. Die Straßen sahen sich alle ähnlich, die Häuser und die Holzbänke auch. Gerrit führte uns durch eine Toreinfahrt in einen Innenhof mit Blumenbeeten und Bäumen.
Wir folgten ihm zu einem der kleinen weiß gekalkten Häuser, die um den Hof gruppiert lagen. Gerrit schloss die Tür auf und winkte uns herein. Durch einen niedrigen, windschiefen Flur gelangten wir in einen holzgetäfelten Raum. Rechts und links an der Wand standen zwei gewaltige Bücherschränke mit Glastüren, und in den Sonnenstrahlen, die durch das winzige Fenster hereinfielen, tanzten Staubkörnchen.
»Voilá«, sagte Gerrit mit einer ausholenden Armbewegung. »Die Reste der Bibliothek des Barto Blegvad.«
Ich trat zu einem der Bücherschränke und öffnete die Tür. Sofort schlug mir der Geruch von altem Papier und Säure entgegen.
»Fällt euch etwas auf?«, fragte Gerrit erwartungsvoll.
Ich sah mir die Bücher genauer an. Es waren die typischen alten Schinken, wie sie auch zuhauf bei van Wolfen im Laden standen. Mit einem Unterschied ...
»Die Bücher haben keinen Titel!«, rief Larissa, die den Schrank auf der gegenüberliegenden Seite inspizierte.
»Richtig.« Gerrit nickte. Er zog einen der Lederbände hervor. Der Buchrücken war ebenso leer wie der Buchdeckel. Keine goldenen Buchstaben, keine Prägungen – nur das blanke Leder.
Gerrit reichte Larissa das Buch. »Schlag es einmal auf«, forderte er sie auf.
Vorsichtig öffnete Larissa das Buch in der Mitte. Die Seiten waren leer. Sie versuchte es an ein paar weiteren Stellen, aber das Ergebnis war immer dasselbe.
»Kein Titel, keine Seitenzahlen, keine Bilder, kein Text«, konstatierte ich. »Die Bücher sind leer.«
»Nicht alle«, erklärte Gerrit, während er Larissa das Buch wieder abnahm und zurück in den Schrank stellte.
»Aber wer bewahrt leere Bücher auf?«, fragte ich. »Und warum?«
»Nun, der Besitzer dieser Bibliothek war, wie ich bereits gesagt habe, Barto Blegvad«, erklärte Gerrit. »Er war ein schwedischer Adeliger, der im siebzehnten Jahrhundert nach Amsterdam kam. In seinem Gepäck befand sich eine Reihe von Büchern von großem Wert. Das sprach sich in seiner neuen Heimat schnell herum. Und wie zu jeder Zeit gab es auch damals Menschen, die nicht davor zurückschreckten, andere zu berauben, sofern sie davon einen Vorteil hatten.
Also kam Blegvad auf die Idee, seine Bücher unsichtbar zu machen. Er ließ sie von einem Buchbinder,
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