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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Bewußtsein, die Bekenntnisse des Hl. Zvlkx und William
    Shakespeares inzwischen obligatorische Gesammelte Werke. Ich
    stopfte die Bücher in den Kleiderschrank und legte statt dessen meine
    Automatik in das Schubfach. Ich öffnete den Reißverschluß meiner
    Reisetasche und richtete mich häuslich ein. Ich hatte meine Londoner
    Wohnung vorerst behalten; ich wußte ja nicht, wie lange ich
    hierbleiben würde. Komischerweise fühlte ich mich in der Stadt sehr
    wohl, und ich war mir noch nicht ganz im klaren darüber, ob mir das
    gefiel oder nicht. Ich packte alles aufs Bett und verstaute es dann
    sorgfältig im Schrank. Ich deponierte ein paar Bücher, darunter das
    Exemplar von Jane Eyre , dem ich mein Leben verdankte, auf dem
    Nachttisch. Ich trug Landens Foto zur Kommode und legte es nach
    kurzem Nachdenken verkehrt herum in die Schublade mit meiner
    Unterwäsche. Solange mir das Original zur Verfügung stand, konnte
    ich auf die Kopie verzichten. Der Fernseher plärrte:
    »… trotz Intervention durch die Franzosen und einer russischen
    Sicherheitsgarantie für englische Siedler spricht alles dafür, daß
    England nicht auf seinen Platz am Runden Tisch in Budapest
    zurückkehren wird. Solange England auf das neue, Stonk genannte
    Plasmagewehr setzen kann, wird auf der Schwarzmeerhalbinsel wohl
    kein Frieden einkehren …«
    Der Nachrichtensprecher wühlte in Papieren.
    »Und jetzt zurück ins Inland. In Chichester kam es am gestrigen
    Abend zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, als sich eine Gruppe
    von Neosurrealisten versammelte, um den vierten Jahrestag der
    Legalisierung des Surrealismus zu begehen. Henry Grubb ist für das
    Toad News Network vor Ort. Henry, wie ist die Lage?«
    Ein wackliges Livebild erschien auf dem Schirm, und ich hielt einen
    Moment inne und schaute zu. Hinter Grubb sah man ein umgestürztes,
    brennendes Auto und mehrere Polizeibeamte im Einsatzanzug. Henry
    Grubb, ein angehender Krimkorrespondent, der insgeheim hoffte, daß

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    der Krieg so lange andauern würde, bis man ihn an die Front ließ, trug
    eine marineblaue Bomberjacke und sprach im stockenden, gehetzten
    Tonfall eines Kriegskorrespondenten.
    »Die Lage ist brenzlig, Brian, um nicht zu sagen: explosiv. Ich
    befinde mich etwa hundert Meter vom Ort der Ausschreitungen
    entfernt und kann von hier aus brennende, umgestürzte Autos sehen.
    Die Flammen sind meterhoch. Die Polizei hat den ganzen Tag
    versucht, die verfeindeten Parteien auseinanderzuhalten, war gegen
    ihre schiere Überzahl am Ende jedoch machtlos. In den frühen
    Abendstunden haben mehrere hundert Raffaeliten ein Lokal namens
    Ceci n’est pas un pipe umstellt, in dem sich hundert Neosurrealisten
    verschanzt hatten. Die Demonstranten auf der Straße riefen Parolen
    der italienischen Renaissance, dann flogen Steine. Worauf die
    Neosurrealisten geschützt durch große weiche Uhren aus Schaumstoff
    die gegnerischen Linien stürmten. Sie hätten ihre Widersacher
    wahrscheinlich auch überrannt, wenn die Polizei nicht eingeschritten
    wäre. Moment, ich sehe gerade, daß die Beamten einen Mann
    festgenommen haben. Ich will versuchen, ein Interview zu
    bekommen.«
    Ich schüttelte den Kopf und stellte meine Schuhe in die Garderobe.
    Es hatte Krawalle gegeben, als der Surrealismus verboten worden war,
    und jetzt, bei Aufhebung dieses Verbotes, gab es wieder Krawalle.
    Grubb stellte sich einem Polizisten in den Weg, der einen
    Jugendlichen abführte; der junge Mann trug ein Kostüm aus dem
    sechzehnten Jahrhundert und hatte sich eine originalgetreue Kopie der
    »Hand Gottes« aus der Sixtinischen Kapelle ins Gesicht tätowieren
    lassen.
    »Entschuldigen Sie, Sir, aber was sagen Sie zu dem Vorwurf, daß
    Sie ein intoleranter Haufen sind, dem es schlicht an Respekt und
    Verständnis für das Neue und Experimentelle in der Kunst mangelt?«
    Der Renaissancist starrte wütend in die Kamera.
    »Angeblich machen ja immer nur wir Ärger, dabei hab ich hier
    heute mindestens genauso viele Barock-Kids, Raffaeliten, Romantiker
    und Manieristen gesehen. Das hier ist eine überwältigende
    Demonstration für die Einheit der klassischen Kunst, gegen diese

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    oberflächlichen Arschlöcher, die sich unter dem Deckmäntelchen des
    sogenannten ›Fortschritts‹ verkriechen. Es sind nicht nur …«
    Der Polizeibeamte ging dazwischen und zerrte ihn mit sich davon.
    Grubb wich einem fliegenden Pflasterstein aus und beendete seinen
    Bericht.
    »Henry Grubb für das Toad News

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