01 - Ekstase der Liebe
ihm
nicht folgte.
»Um
Himmels willen, Mann! Sie geht nirgendwohin; Charlotte ist schwanger. Sie
wartet auf dich und ein paar Stunden machen keinen Unterschied.«
Alex'
Gesicht war eine unbewegliche, düstere Maske. Patrick führte sein bis zum
Äußersten erschöpftes Pferd die wenigen Schritte zur Straßenkreuzung zurück.
Alex sah ihn an.
»Sie
wird mich verlassen, Patrick«, sagte er schließlich heiser. »Ich habe ihr
versprochen, dass ich ihr vertrauen würde, und ich habe sie enttäuscht. Ich
muss zu dem Haus und ihr folgen. Ich muss sie finden.«
Patrick
seufzte. Es war ihm nicht gelungen, seinen Zwilling zur Vernunft zu bringen,
seitdem Alex begriffen hatte, dass sein Bruder nichts mit der Schwangerschaft
seiner Frau zu tun hatte.
»Charlotte
geht nirgendwohin! Sie ist schwanger. Schwangere Frauen reisen nicht.«
Patrick gab seiner Stimme größtmögliche Autorität und schob die Erinnerung an
die schwangeren Frauen in Indien, die fröhlich die Straßen entlangwanderten,
beiseite. »Denk an Mutter. Erinnerst du dich nicht, als sie schwanger war? Sie
hat monatelang im Bett gelegen.«
Das war
ein unglücklicher Gedanke, bei dem das letzte bisschen Farbe aus Alex' Gesicht
wich.
»Mein
Gott«, flüsterte Alex. »Was, wenn sie wie Mutter ist, was, wenn sie stirbt, Patrick?«
»Charlotte
ist eine vernünftige Frau, Alex. Sie würde das Leben ihres Kindes nicht in
Gefahr bringen. Sie sitzt bestimmt auf Downes Manor und wartet auf dich, wenn
du zurückkommst. Ich sage nicht, dass sie dir nicht den Kopf abreißt. Aber sie
wird nicht das Leben ihres Kindes aufs Spiel setzen und weglaufen.«
Alex
blinzelte. Das war das erste Argument, das Sinn ergab. Vielleicht war seine
tiefe Überzeugung falsch, dass Charlotte genau in diesem Augenblick auf
irgendeiner Straße vor ihm davonritt. Dass er sie nie wiedersehen würde. Sie
würde ihr Kind nicht in Gefahr bringen, das war richtig.
Patrick
spürte seinen Sieg und packte noch einmal Alex' Zügel. Er zwang sein Pferd in
Richtung Buffington.
»Wir
werden bei Morgengrauen aufstehen. Selbst wenn sie sich entschlossen hat, nach
Schottland zu reisen - und vergiss nicht, die Wahrscheinlichkeit ist sehr
gering -, muss sie notwendigerweise sehr langsam reisen. Wir werden keine
Schwierigkeiten haben, sie einzuholen.«
Alex
antwortete nicht, sondern nickte nur. Sie schleppten sich mühsam zum Queen's
Ankle, Buffingtons bestem Gasthaus, aßen Eichhörnchensuppe (das einzig Essbare,
was zu haben war) und fielen in die zwei Betten, die in dem einzigen
Gästezimmer des Wirtes standen.
»0
Gott«, meinte Patrick mürrisch. »Wann, glaubst du, hat der fette Esel dort
unten das letzte Mal das Stroh in dieser verdammten Matratze gewendet?«
Alex
machte sich nicht die Mühe zu antworten. Er starrte auf die unebenen Bretter
über ihm und fragte sich, von welchem Moment an sein Leben schief gelaufen war.
Was hatte ihn dazu gebracht, Charlotte des Ehebruchs zu verdächtigen? In seinem
Kopf spielte sich die Szene in dem kleinen Sommerhaus immer wieder ab, als
wollte er sich selber quälen. Charlotte stand auf ... ungeheure Zärtlichkeit
leuchtete in ihren Augen und lag um ihren Mund und dann ... wies er sie zurück.
Als er schließlich sprach, war seine Stimme rau und krächzend.
»Wenn
sie weg ist, weiß ich nicht, was ich tun soll, Patrick.«
Patrick
verdrehte im Dunkeln die Augen und dankte dem Himmel, dass er nie von dem
zärtlichen Gefühl, das Liebe genannt wurde, berührt worden war.
»Sie
geht nirgendwohin, Alex. Um Himmels willen.« Sie verstummten.
Dank Alex' mörderischer
Geschwindigkeit brauchten sie nur zweieinhalb Tage, um nach Downes Manor
zurückzukehren. In dem Augenblick, als sie in die Auffahrt einbogen, wurde
Patrick schwer ums Herz. Alex hatte Recht gehabt. Eine seltsame, unheimliche
Stille umgab das Haus.
Vor der
Treppe ließ Alex Bucephalus' Zügel einfach fallen und stürmte durch die
Eingangstür. Sie war nicht abgeschlossen und ein erstaunter Lakai sprang aus
der Bibliothek herbei, als die Tür aufgerissen wurde.
»Mylord!«
»Wo ist
meine Frau?«, brüllte Alex.
Der
Blick des Lakaien war auf den Fußboden geheftet. »Ich könnte nicht sagen,
Mylord ... ich habe keine Ahnung«, stammelte er.
Patrick
trat ein, öffnete eine Tür und warf einen Blick in den Salon zu ihrer Linken.
Hinter ihm machte Alex den Lakaien zur Schnecke. Der schien zu glauben, dass
die Gräfin nach Schottland abgereist war. Patrick drehte sich um und fragte
sanft: »Wo ist dein
Weitere Kostenlose Bücher