01 - Ekstase der Liebe
wundervoll.«
Charlotte
hatte ihr Porträt von Sophie York beendet. Sophie saß auf dem Ast eines
umgestürzten Baums auf einer Waldlichtung. Der Boden war mit Glockenblumen
bedeckt, die sich bis jenseits der Waldlichtung erstreckten. Die Falten an
Sophies Kleid waren perfekt nachgebildet, ihre kleinen Rundungen durch
Charlottes Pinsel elegant wiedergegeben - aber ihr Gesichtsausdruck!
Statt verträumt in die Ferne zu blicken, wie Adelige das auf Porträts
ausnahmslos taten, sah Sophie den Betrachter direkt an, während ein leichtes
Lächeln ihre Mundwinkel umspielte. Sie schien darüber zu lachen, dass sie
absurderweise auf einem Ast saß. Und es lag etwas wie eine zwinkernde Einladung
in ihren Augen ... um die Wahrheit zu sagen, hatte Charlotte ihr das Aussehen
einer nicht ganz untadeligen Dame verliehen, entschied Adelaide. Vielleicht lag
das an ihrer vollen Unterlippe? Aber natürlich war Sophie keine ganz untadelige
Dame. Das war es schließlich, was ihrer Mutter solche Sorgen bereitete.
»Meine
Güte«, seufzte Adelaide. »Du wirst das doch nicht Eloise sehen lassen, Liebste?«
»Aber
nein, Mama«, erwiderte Charlotte lächelnd. »Ich werde es behalten und es dem
Mann schenken, den Sophie heiratet, wenn sie heiratet. Sie sieht sehr
verführerisch aus, nicht wahr?«
Adelaide
erwiderte ihr Lächeln. »Es ist ein sehr gutes Porträt, Charlotte. Du hast
Sophie sehr gut getroffen.« Sie überdachte noch einmal, was sie hatte sagen
wollen. Warum waren sie und Marcel so vorsichtig, wenn es darum ging, Charlotte
gegenüber schwierige Themen anzusprechen? Diese modernen jungen Frauen ... sie
wussten so viel mehr, als sie als junges Mädchen gewusst hatte.
Sie
setzte sich auf das Sofa und klopfte einladend auf das Kissen neben sich.
»Liebling, wir müssen reden.«
Charlotte
setzte sich widerwillig. Sie hatte eine recht genaue Vorstellung von dem Thema,
über das ihre Mutter reden wollte. In letzter Zeit hatte sie das Gefühl, dass
man ihr, wo immer sie sich hinwandte, bedeutungsvolle Blicke zuwarf und sie
fragte, wie sie den Grafen von Sheffield und Downes fände. Eine leichte Falte
bildete sich zwischen ihren Augenbrauen. Das allseitige große Interesse kam ihr
seltsam vor. Die Leute schienen völlig aufgelöst, dass Alex ihr den Hof machte,
dahingegen zeigten sie verhältnismäßig wenig Interesse daran, dass Braddon Chatwin
um sie warb, obwohl auch er ein Graf war.
Sie
selbst dachte die ganze Zeit an Alexander, Tag und Nacht. Sie schwankte in
beängstigender Weise zwischen einem Gefühl der Heiterkeit angesichts seines
offensichtlichen Interesses und einem Gefühl heftiger Demütigung bei dem
Gedanken daran, ihn zu heiraten. Sie fühlte sich, als habe ein Geist von ihrer
Vorstellungskraft Besitz ergriffen, der ihr abwechselnd berauschende Bilder
eines unbekleideten Alex und trostlose Bilder ihrer Zukunft vorgaukelte, in der
sie ans Haus gefesselt war, während ihr Mann ausging, um andere Frauen zu
verführen. Wahrscheinlich in ihrem eigenen Garten, dachte sie verdrossen.
Adelaide
wusste nicht, wo sie anfangen sollte. »Dein Vater und ich haben bemerkt«, sagte
sie schließlich, »dass der Graf von Sheffield und Downes dir seine besondere
Aufmerksamkeit schenkt.«
»Ja«,
sagte Charlotte.
»Wir...
wir glauben«, sagte Adelaide stotternd, »dass du über die Umstände seiner
ersten Ehe Bescheid wissen solltest.«
»Seine
erste Ehe«, wiederholte Charlotte.
»Du
weißt, dass er schon einmal verheiratet war?«, fragte Adelaide.
»Ja,
ich habe seine Tochter kennen gelernt«, entgegnete Charlotte.
»Oh«,
meinte Adelaide tonlos. Sie fühlte sich nicht in der Lage, die Sache mit ihrer
Tochter zu besprechen. »Nun, Alexander war mit einer Frau namens Maria, Maria
Soundso, verheiratet. Dein Vater weiß den Namen«, fügte sie hastig hinzu. »Nach
einem Jahr ersuchte die Frau den Papst um die Annullierung der Ehe. Wegen
Impotenz.«Sie sah ihre Tochter erwartungsvoll an.
»Impotenz«,
wiederholte Charlotte. »Was ist das?«
Genau
das hatte Adelaide befürchtet. Sie verhedderte sich in eine Reihe von
Halbwahrheiten und Euphemismen, von denen Charlotte keine richtig verstand.
»Willst
du damit sagen, dass er keinen ... keine männlichen Geschlechtsteile hat?«,
fragte Charlotte scharf. »Das ist nämlich nicht wahr.«
Mit
einem Ruck hob ihre Mutter den Kopf. Zu verlegen, dem Blick ihrer Tochter zu
begegnen, hatte sie angestrengt auf ihre gefalteten Hände gestarrt, jetzt sah
sie Charlotte unvermittelt an. »Und
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