01 - Geheimagent Lennet wird ausgebildet
unsichtbare Tinte, die man bloß in der Hand zu erwärmen braucht, um die Schriftzeichen deutlich hervortreten zu lassen.
Hüten Sie sich vor Taschendieben.
Bauen Sie doch auf Ihr Gedächtnis: Es ist die einzige Art, es zu üben.«
Darunter war der aufgeschlüsselte Text zu lesen, der mit dem Namen »Christine Barbier" begann.
Die folgenden Tage waren die schwärzesten in Lennets Leben.
Er kam sich so wehrlos vor wie ein Meerschweinchen auf dem Seziertisch. Die berüchtigte Einsamkeit der Spezialagenten hatte ihn gefangen.
Seine Kameraden mochten ihn nicht sehr. Man neigte dazu, ihn für den feindlichen Agenten zu halten, wegen seiner freien Reden und der großen Vorsicht, die er an den Tag legte...
Corinna war mißgestimmt und lächelte überhaupt nicht mehr.
Zweifellos litt sie unter der Einsamkeit noch mehr als Lennet.
Der einzige Junge, für den er halbwegs freundschaftliche efühle empfand, Bertrand Bris, zeigte sich noch verschlossener als die anderen.
Gewiß, als »Schüler" konnte Lennet zufrieden sein. Alle Unterrichtsfächer interessierten ihn leidenschaftlich, in allen tat er sich glänzend hervor, aber es kam schließlich soweit, daß er sich selber darüber ärgerte. Je größer seine Erfolge sein würden, desto deutlicher würden sie ihm zeigen, wie ausgezeichnet die Methoden des FND waren.
Es war jedoch gar nicht erfreulich, sich stets allein zu fühlen, ohne es jemals zu sein, da die Mikrofone und unsichtbaren Kameras ständig im Hinterhalt lauerten. Merkwürdigerweise war es Corinna, die ihm wieder einen Auftrieb gab.
Eines Tages erschien sie zum Frühstück noch blasser als sonst. Das Los hatte ihnen denselben Tisch beschieden, und sie waren allein, weil sich ihre beiden Kameraden noch nicht eingefunden hatten. »Armand...«, schluchzte sie.
Er blickte sie an.
Sie legte mit Vorbedacht ihr Stück Brot auf das Kabel, das von der Wand zu der kleinen Lampe führte, die nie angeschaltet wurde. Dann zerschnitt sie es nicht mit ihrem Messer, sondern mit der Brotsäge. Als sie die beiden Hälften auseinandernahm, war das Kabel entzweigeschnitten.
Sie begann dann zu essen und ihren Kaffee zu trinken, wobei sie mit leiser und eindringlicher Stimme sagte: »Armand, ich kann nicht mehr. Es ist so schrecklich, die ganze Zeit bespitzelt zu werden! Bestimmt habe ich unrecht, mich gerade Ihnen anzuvertrauen. Vielleicht sind Sie der feindliche Agent, und ich werde sehr schlechte Noten bekommen, weil Sie sicher alles dem Oberst oder diesem gräßlichen Hauptmann Montferrand erzählen werden. Aber ich kann einfach nicht mehr. Ich glaube, ich werde versuchen, von hier auszurücken. Ich schwimme nämlich recht gut - das können Sie mir glauben.«
Angesichts von Corinnas Verzweiflung spürte Lennet so etwas wie Erleichterung. »Sie sind verrückt", antwortete er und aß weiter, um die Kameras, die sie filmten, irrezuführen. »Wir dürften uns mitten im Atlantik befinden. Übrigens würde der FND Sie überall ausfindig machen. Überzeugen Sie sich, bevor Sie sich ins Wasser stürzen, zumindest davon, daß es keine Haifische gibt!«
Der Schatten eines Lächelns zeichnete sich in Corinnas Augen ab. »Wie gut es tut, reden zu können und dabei zu wissen, daß niemand zuhört!«
»Sie glauben, daß dieses Kabel...«
»Natürlich. Ich habe versucht, die Lampe anzudrehen: Sie funktioniert überhaupt nicht. Das Mikrofon dürfte drin sein.«
»Auch ich hab am ersten Tag geglaubt, daß es mir gelingen würde, sämtliche Mikrofone auszuschalten. Aber ich habe noch kein einziges gefunden.«
»Ich bin überzeugt, daß eines sich im Gitter des Lautsprechers über der Liege, und eines sich in jeder Lampe befindet. Sagen Sie mir ein Wort, das mich daran hindert, ins Wasser zu gehen.«
Lennet bedachte sich kurz.
»Ich hab gefunden, was ich Ihnen sagen will", sprach er endlich. »Denken Sie immer daran, daß ich ebenso mutlos war wie Sie, daß dies aber von heute an anders wird! Die Lehrer werden sich damit abfinden müssen. Ich gehe in die Offensive über. Hilft Ihnen das vielleicht?«
»O ja", sagte sie. »Das wird mir sehr helfen.« Einen Augenblick lang lächelte sie ihm wie am ersten Tag zu. Dann beugte sie sich über ihren Teller, denn Bertrand Bris näherte sich dem Tisch.
An diesem Abend streckte sich Lennet auf seinem Lager aus, zog die Decke bis zur Nase hinauf und begann intensiv nachzudenken. Das Wortgeplätscher aus dem Lautsprecher, das sich im Hypnosekurs Nr. 27, Thema: Einschläferungsmittel,
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