01 - Gott schütze dieses Haus
das ist jetzt ungefähr drei Jahre her - hatten sie gerade beschlossen, ihre Beziehung mit dem letzten Akt zu krönen. Sie verstehen, was ich meine?«
»Absolut«, antwortete Simon, der immer noch Deborahs Blick mied.
»Gut. Danny hat natürlich ein bißchen Bammel. Ist ja schließlich eine schwere Entscheidung, den Vorsatz aufzugeben, als Jungfrau in die Ehe zu gehen, nicht? Ganz besonders hier auf dem Land, wo alles noch ein bißchen hinterher ist. Und Danny denkt sich natürlich, wenn sie dem Burschen seinen Willen läßt - na ja, einen Weg zurück gibt's nicht, das ist klar.«
Er wartete auf Simons Reaktion.
»Wohl kaum.«
Hank nickte ernsthaft. »Tja, wie ihre Schwester Angelina erzählt -«
»Sie war dabei?« fragte Simon ungläubig.
Hank lachte brüllend bei der Vorstellung und schlug dazu mit dem Löffel begeistert auf die Tischplatte.
»Sie sind mir vielleicht einer!« Er richtete sich an Deborah. »Ist er immer so?«
»Immer«, antwortete sie prompt.
»Umwerfend. Also, zurück zur Abtei.«
Natürlich, sagte der Blick, den Simon und Deborah tauschten.
»Gut. Da sind die beiden nun, Danny und ihr Freund, fertig zum Abheben. Und da geht's plötzlich los. Babygeschrei, aber volle Pulle. Können Sie sich das vorstellen? Hm, können Sie sich's vorstellen?«
»In allen Einzelheiten«, versicherte Simon.
»Na, die beiden hören das Gewimmer und glauben, das ist der strafende Gott persönlich. Nichts wie raus aus der Kirche, als säße ihnen der Teufel im Nacken. Und das war's dann auch schon. Aus und vorbei.«
»Das Babygeschrei, meinen Sie?« fragte Deborah. »Ach Simon, ich hatte so gehofft, wir würden es heute nacht hören. Oder vielleicht sogar schon heute nachmittag. Ich hätte nie gedacht, daß die Abwehr böser Geister so bekömmlich sein könnte.«
Hexe, sagte sein Blick.
»Nein, doch nicht das Babygeschrei«, belehrte sie Hank. »Der Vollzug, den Danny und ihr Freund geplant hatten. Wie hieß der Bursche gleich, Böhnchen?«
»Er hatte einen komischen Namen. Ezra Soundso.«
Hank nickte. »Na, kurz und gut, Danny kommt völlig aufgelöst hier im Haus an. Sie will unbedingt sofort die Beichte ablegen und Gott um Vergebung bitten. Total fertig, das arme Ding. Also holen sie den Dorfpriester. - Der soll den bösen Geist austreiben.«
»Bei der Abtei oder bei Danny?« erkundigte sich Simon.
»Bei beiden, alter Knabe. Der Priester rollt also in Windeseile hier an, verspritzt sein Weihwasser und zieht weiter zur Abtei. Und da -«
Er brach ab, freudestrahlend, mit blitzenden Augen, ein Geschichtenerzähler erster Güte, der es versteht, seine Zuhörer so richtig auf die Folter zu spannen.
»Noch etwas Kaffee, Deborah?«
»Nein, danke.«
»Und was glauben Sie?« fragte Hank herausfordernd.
Simon überdachte die Frage. Deborah stieß ihn unter dem Tisch mit dem Fuß an.
»Was?« fragte er pflichtschuldig.
»Da lag doch tatsächlich ein richtiges Baby in der Abtei. Ein Neugeborenes, bei dem noch nicht einmal die Nabelschnur abgebunden war. Höchstens ein paar Stunden alt. Mausetot, als der Priester dort ankam. Tod durch Erfrieren, stellten sie fest.«
»Wie schrecklich.« Deborah war blaß geworden. »Das ist ja grauenhaft.«
Hank nickte feierlich. »Ja, und nun denken Sie mal an den armen Ezra. Der konnte bestimmt die nächsten zwei Jahre nicht mehr.«
»Wem gehörte das Kind?«
Hank zuckte die Achseln. Er wandte seine Aufmerksamkeit seinem Frühstück zu, das inzwischen kalt geworden war. Der Rest der Geschichte war ihm offensichtlich nicht saftig genug.
»Das weiß niemand«, antwortete Jojo für ihn. »Es wurde auf dem Dorffriedhof begraben. Mit einem ganz merkwürdigen Spruch auf dem Grabstein. Ich kann mich aus dem Kopf nicht mehr daran erinnern. Sie müssen selbst mal hingehen und sich das Grab ansehen.«
»Böhnchen, die beiden sind auf Hochzeitsreise«, warf Hank augenzwinkernd ein. »Die haben bestimmt was Besseres zu tun, als auf Friedhöfen rumzuwandern.«
Lynley hatte offensichtlich eine Vorliebe für die Russen. Sie hatten mit Rachmaninoff begonnen, auf ihn folgte Rimski-Korsakow, und nun schlugen die Heroenklänge der 1812-Ouvertüre über ihnen zusammen.
»Da! Haben Sie es bemerkt?« fragte er sie, nachdem der letzte Ton verklungen war. »Das eine Becken war einen Vierteltakt hinterher. Aber das ist das einzige, was ich an dieser Aufnahme von 1812 auszusetzen habe.«
Er schaltete die Stereoanlage aus.
Barbara fiel zum erstenmal auf, daß er überhaupt keinen
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