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01 - Gott schütze dieses Haus

01 - Gott schütze dieses Haus

Titel: 01 - Gott schütze dieses Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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eine Aufforderung, Platz zu nehmen. Als Barbara automatisch ihren Block aufklappte, betrachtete er sich als zu ihnen gehörig und zog sich einen Stuhl heraus.
    »Nigel Parrish«, stellte er sich vor.
    Der Organist, erinnerte sich Lynley. Der Mann war seiner Schätzung nach Mitte Vierzig, mit einem intelligenten Gesicht, das mit zunehmendem Alter gewonnen hatte. Das braune Haar war an den Schläfen leicht ergraut und über der hohen Stirn glatt zurückgekämmt. Die starke, gerade Nase und der ausgeprägte Unterkiefer ließen auf Willenskraft und Entschlußfreudigkeit schließen. Parrish war schlank, nicht übermäßig groß, eher interessant als gutaussehend.
    »Und wer ist Ezra?« erkundigte sich Lynley.
    Parrishs brauner Blick huschte durch den Schankraum. Es war, als erwartete der Mann jemanden.
    »Ezra Farmington«, sagte er. »Unser Dorfkünstler. Jedem Dorf sein eigener Künstler, das gehört einfach zum Lokalkolorit.« Parrish zuckte die Achseln. »Unser Künstler malt Aquarell, ab und zu auch Öl. Eigentlich gar nicht schlecht. Er verkauft seine Sachen sogar an eine Galerie in London. Früher war er jedes Jahr nur einen Monat hier oder so, aber jetzt ist er einer von uns.« Er lächelte in sein Glas. »Ja, ja, der gute Ezra«, murmelte er.
    Lynley war nicht bereit, sich necken zu lassen wie ein Hund mit einem Knochen.
    »Was möchten Sie uns denn von Ezra Farmington erzählen, Mister Parrish?«
    Parrishs erstaunter Blick verriet, daß er so viel Direktheit nicht erwartet hatte.
    »Nun, abgesehen davon, daß er eine gewisse Tendenz zum Dorfcasanova hat, sollten Sie vielleicht wissen, was sich neulich auf Teys' Hof abgespielt hat.«
    Lynley interessierten Ezras libidinöse Neigungen wenig, auch wenn Parrish sie offensichtlich sehr erwähnenswert fand.
    »Was passierte denn auf dem Hof?« fragte er, ohne auf die andere Anspielung einzugehen.
    »Tja ...« Mit einem bekümmerten Blick in sein leeres Glas hielt Parrish inne.
    »Sergeant«, sagte Lynley, den Blick auf Parrish gerichtet, »würden Sie Mister Parrish noch einen -«
    »Courvoisier«, warf Parrish lächelnd ein.
    »- noch einen Courvoisier holen? Und für mich auch einen.«
    Barbara stand gehorsam auf.
    »Und für sie nichts?« fragte Parrish betroffen.
    »Sie trinkt nicht.«
    »Ach Gott, wie langweilig.«
    Als Barbara zurückkam, bedachte Parrish sie mit einem teilnahmsvollen Lächeln, trank einen vornehmen kleinen Schluck von seinem Kognak und begann seine Geschichte.
    »Tja«, sagte er wie vorher und neigte sich vertraulich über den Tisch, »das war eine ziemlich scheußliche kleine Szene, wissen Sie. Ich weiß auch nur davon, weil ich zufällig draußen auf dem Hof war. Wegen Schnauz, verstehen Sie.«
    Lynley verstand. »Das ist der musikalische Hund.«
    »Wie bitte?«
    »Pater Hart hat uns berichtet, daß Schnauz gern auf der Wiese lag und Ihnen beim Orgelspiel zuhörte.«
    Parrish lachte. »Es ist schon traurig. Ich übe mir die Finger wund, und mein einziger begeisterter Zuhörer ist ein alter Hofhund.« Er sprach in amüsiertem Ton, als könnte nichts erheiternder sein.
    Doch Lynley sah, wie angestrengt die Komödie war. Er bemerkte die brüchige Fassade, die unter dem Druck der Bitterkeit jeden Moment einzustürzen drohte. Parrish war ein wenig zu eifrig bemüht, den jovialen Lebenskünstler zu spielen.
    »Ja, so ist das nun mal«, fuhr er fort, während er den Kognakschwenker in den Händen drehte und die Vielfalt der Farben bewunderte, die im Lichtschein in der Flüssigkeit aufleuchteten. »Eine wahre Wüste dieses Dorf, was das Musikverständnis angeht. Ich spiele im Grunde nur deshalb sonntags in der Kirche, weil es mir selbst Freude macht. Die Leute hier können ja nicht mal eine Fuge von einem Scherzo unterscheiden. Wußten Sie übrigens, daß unsere Kirche die beste Orgel in ganz Yorkshire hat? Typisch, nicht wahr? Ich bin überzeugt, der Papst hat sie persönlich gestiftet, um die Katholiken in Keldale bei der Stange zu halten. Ich selbst bin Protestant.«
    »Und Farmington?« fragte Lynley.
    »Ezra? Ich glaube, Ezra gehört überhaupt keiner Religion an.« Als die erwartete Erheiterung auf Lynleys Gesicht ausblieb, fügte er hastig hinzu: »Aber Sie meinten wahrscheinlich, was ich denn nun über Ezra zu sagen hätte.«
    »Genau das meinte ich, Mister Parrish.«
    »Ezra.« Parrish lächelte und trank von seinem Kognak, vielleicht um sich Mut zu machen, vielleicht um sich zu trösten. Es war schwer zu sagen. Immerhin zeigte sich in

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