01 - Nacht der Verzückung
genommen. Sie wird seine Welt sein, seine Zukunft, sein Glück.
Sein Alles.
Er
stellt fest, dass sein Zelt in taktvoller Entfernung vom übrigen Lager
aufgestellt wurde. Alleine steht sie davor, den Blick auf das vom Mondlicht
erhellte Tal gerichtet.
»Lily«,
sagt er leise, als er sich nähert.
Sie
dreht den Kopf und sieht ihn an. Sie sagt nichts, doch selbst in dem schwachen
Mondschein kann er erkennen, dass der glasige Ausdruck des Schreckens aus ihren
Augen verschwunden ist. Bewusstheit und Verstehen sprechen aus ihrem Blick.
»Lily.«
Sie sprechen im Flüsterton, um nicht belauscht zu werden. »Es tut mir so Leid,
das mit deinem Vater.«
Er hebt
eine Hand und berührt mit den Fingerspitzen leicht ihre Wange. Er hat sich
seine Gedanken gemacht. Er wird sich ihr heute Nacht nicht aufdrängen. Sie muss
Zeit haben, um ihren Vater zu trauern und sich mit ihren neuen Lebensumständen
anzufreunden. Sie sagt immer noch nichts, aber sie hebt eine Hand, legt sie auf
seinen Handrücken und drückt seine Handfläche ganz an ihre Wange.
»Ich
hätte nein sagen sollen«, flüstert sie. »Ich wusste sehr wohl, was du von mir
wolltest. Selbst vor mir selbst tat ich so, als wüsste ich es nicht, um dich
nicht zurückweisen und in eine düstere Zukunft blicken zu müssen. Es tut mir
Leid.«
»Lily«,
sagt er, »ich tat es, weil ich es wollte.«
Sie
dreht den Kopf und setzt ihre Lippen auf seine Handfläche. Sie schließt die
Augen und schweigt.
Lily.
Ob, Lily, ist es möglich ...
»Du
nimmst das Zelt«, sagt er zu ihr. »Ich werde hier auf dem Boden schlafen. Du
brauchst keine Angst zu haben. Ich werde gut auf dich aufpassen.«
Doch
sie öffnet die Augen und betrachtet ihn im Mondlicht. »Wolltest du wirklich?«,
fragt sie ihn. »Wolltest du mich wirklich heiraten?«
»Ja.«
Er wünscht sich, er könnte seine Hand zurückziehen. Er ist nicht aus Stein.
»Du
fragtest mich, was mein Traum sei«, sagt sie. »Wie hätte ich es dir in jenem
Moment sagen sollen? Aber jetzt kann ich es dir sagen. Es war dies. Genau dies.
Mein Traum.«
Er
berührt ihre Lippen mit dem Mund und fragt sich, solange er noch klar denken
kann, ob sie Publikum haben.
»Lily«,
haucht er in ihren Mund. »Lily.«
»Jawohl,
Sir.«
»Neville«,
sagt er zu ihr. »Sag es. Sag meinen Namen. Ich möchte hören, wie du ihn sagst.«
»Neville«,
sagt sie, und es klingt wie die zärtlichste, erotischste Liebkosung. »Neville.
Neville.«
»Werde
ich also das Zelt mit dir teilen?«, fragt er sie.
»Ja.«
Es steht außer Frage, dass sie meint, was sie sagt, dass sie ihn will.
»Neville. Mein Geliebter.«
Nur
Lily kann ein solches Wort aussprechen, ohne pathetisch zu klingen.
Es
erscheint ihm seltsam, ihre Ehe zu vollziehen, wo sie doch seinen Kameraden,
ihren Vater, erst vor wenigen Stunden beerdigt haben. Aber er hat genügend
Erfahrung mit dem Tod, um zu wissen, dass das Leben sich unmittelbar danach in
den Überlebenden erneut bestätigen muss, dass Weiterleben ein wesentlicher
Bestandteil der Trauer ist.
»Also
komm«, sagt er und bückt sich, um die Plane des kleinen Zeltes zu öffnen.
»Komm, Lily. Komm, meine Liebe.«
***
Sie lieben sich in
fast völliger Stille, da es sicherlich genügend Zuhörer gibt, die darauf
erpicht sind, grunzende Lustlaute oder Schmerzensschreie zu vernehmen. Und sie
lieben sich langsam, um kein übertriebenes Wackeln des schwachen Zeltaufbaus zu
verursachen. Und sie lieben sich beinah vollkommen bekleidet und bedeckt von
ihren beiden Mänteln, um in der kalten Dezembernacht nicht zu frieren.
Sie ist
unschuldig und unwissend.
Er
brennt vor Leidenschaft und ist erfahren und setzt alles daran, ihr Genuss zu
bereiten, doch er fürchtet sich davor, ihr wehzutun.
Er
küsst sie, berührt sie mit zärtlichen, forschenden, huldigenden Händen, zuerst
über ihrer Kleidung, dann darunter; er streichelt ihren warmen, seidigen Körper
mit hauchzarten Berührungen, legt die Hände um ihre kleinen, festen Brüste,
reizt mit dem Daumen ihre sich verhärtenden Spitzen, lässt zärtliche,
liebkosende Finger in die feuchte Hitze zwischen ihren Schenkeln gleiten,
streichelt sie, teilt sie, erregt sie.
Sie
hält ihn fest. Sie streichelt ihn nicht. Sie gibt keinen Laut von sich außer
ihrem beschleunigten Atem. Aber er weiß, dass sie sein Verlangen teilt. Er
weiß, dass sie auch darin Schönheit sieht.
»Lily
...«
Sie
öffnet sich ihm, weil sein Knie es fordert, und umschließt ihn, weil ihr
eigenes Verlangen sie drängt. Als er
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