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01 - Neptun kann warten

Titel: 01 - Neptun kann warten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. C arver
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erwies. Er beschloss, diese kleine Unbehaglichkeit zu ignorieren.
    »Erzähl mir, was deine Lieblingserinnerungen an die Erde sind«, murmelte Julie und blickte starr auf das Holo.
    »Hm?« Er schluckte voller Unbehagen. Er stellte sich vor, diese Frage würde ihm nach der Zerstörung der Erde gestellt, wenn sein Heimatplanet nichts als eine Erinnerung wäre.
    »Ich meine, was geht dir durch den Kopf, wenn du an die Erde denkst? Was vermisst du am meisten? Wo kommst du eigentlich her?« Sie rückte näher zu ihm, ohne den Blick von der Schneelandschaft abzuwenden.
    »Ah. Also … ich bin Nordamerikaner.«
    »Das weiß ich!«
    »Oh – tja, lass mich überlegen.« Er dachte einen Moment lang nach, und seine Zunge fühlte sich dick und schwer an. »Ich bin in Ohio aufgewachsen, in einer kleinen Industriestadt, und konnte es gar nicht erwarten, dort rauszukommen. Ich … . als ich die Rocky Mountains zum ersten Mal sah, hab’ ich mich gleich in sie verliebt – wie in diesen Anblick hier!«
    »Wirklich? Ich auch!«, sagte Julie und nickte an seiner Schulter.
    »Aber … ich habe nie in ihrer Nähe gelebt, von einigen Monaten abgesehen, als ich auf der Flugschule war. Nach meiner Schulzeit habe ich an der Ostküste gewohnt, bis ich mich nach L5-City eingeschifft habe, um eine Raumpilotenausbildung zu absolvieren.« Die Worte brachten eine Woge der Erinnerung mit sich; er dachte nicht sehr oft an seine Vergangenheit, aber wenn er es tat, war ihm jedes Mal, als atme er Luft ein, von der ihm schwindelig wurde.
    »Was hat denn deine Familie dazu gesagt, dass du dich in den Weltraum aufgemacht hast?«, fragte sie und hob den Kopf, um ihm in die Augen blicken zu können.
    »Nun … äh …« Tränen traten ihm in die Augen.
    »O-oh, habe ich die falsche Frage gestellt?«
    »Nein, nein, ich hab’ nur .., also, meine Familie ist umgekommen, bevor … ich meine, als der Ärmelkanal eingestürzt ist … der Englische Kanal …«
    »Oh«, seufzte sie sanft. »Das tut mir Leid, John!«
    »Ist schon gut. Ich bin inzwischen darüber hinweg.« Er lachte gekünstelt. »Ich hab’ noch eine Nichte, in Iowa.«
    Julie hob wieder den Blick, und ihre blauen Augen wirkten dunkel und klar, geheimnisvoll und lebendig. »Ja«, sagte sie und berührte seine Nase mit dem Finger. »Ich sehe, dass du darüber hinweg bist.« Sie lächelte und schmiegte den Kopf wieder an seine Schulter. »Meine Eltern waren absolut dagegen, dass ich in den Weltraum gehe. Sie meinten, das würde mich vorzeitig altern lassen. Sie meinten, es sei zu gefährlich. Sie meinten, hier würde es keine anständigen Männer geben.« Sie kicherte leise. »Was denkst du? Hatten sie Recht?«
    »Mit den Männern? Definitiv«, erwiderte Bandicut und räusperte sich.
    »Vielleicht trifft’s auf die meisten Männer zu«, gestand sie ein. »Aber es gibt auch einige Wenige, die …«
    »Nö. Halt dich von denen fern! Die wollen alle nur das Eine.«
    »Oh? Und das wäre?« Mit aufgerissenen Augen sah sie zu ihm hoch.
    »Ah … dir die Fingerknöchel küssen«, stammelte er. »Jeden einzelnen. Das wollen sie. Was anderes interessiert sie überhaupt nicht. Oh, klar, sie behaupten vielleicht, dass sie deinen ganzen Körper wollen, und deinen Verstand noch dazu, aber in Wirklichkeit sind sie nur an den Knöcheln interessiert. Darauf kannst du dich verlassen!«
    Mit hochgezogenen Augenbrauen streckte sie ihm die Hand entgegen, hielt ihm ihre Knöchel hin. Sanft nahm er ihre Hand und knabberte am ersten Gelenk ihres Mittelfingers. Sie kicherte. »Du hast gesagt küssen, nicht knabbern.«
    »Oh, entschuldige!« Er holte Luft, vor Verlangen ganz benommen. »Ich meinte aber eigentlich ›knabbern.‹« Vorsichtig küsste und knabberte er an allen Knöcheln ihrer rechten Hand. Sie summte und lachte leise. Als er fertig war, streckte sie ihm die linke Hand entgegen. »Knöchel?«, sagte er. »Hab ich Knöchel gesagt? Ich meinte … äh … Ohren.«
    »Oh.« Behutsam strich sie sich das Haar zurück und bot ihm das Ohr an. Er küsste es sanft.
    »Ohren?«, murmelte er. »Ich meinte …«
    »Mmm?« Ihre Augen weiteten sich, und ihre Pupillen waren dunkel und schön.
    »Lippen«, flüsterte er und neigte sich ihr entgegen, um sie zu küssen.
    »Das hab’ ich mir gedacht«, erwiderte sie und berührte seinen Mund mit der Fingerspitze. Dann küsste sie ihn plötzlich. »Männer!«, sagte sie nach dem ersten Kuss.
    »Was anderes wollen wir nicht«, flüsterte er, und dann sagten sie nichts mehr.
    Bis

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