01 - Neptun kann warten
Station, und die abgesprengten Trossen trieben langsam auf das Schiff zu. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass die Neptune Explorer vermutlich eigene Absprengvorrichtungen besaß. Er suchte nach der entsprechenden Softwaresteuerung, fand sie und sprengte die Trossen vom Schiff ab. Die Stahlkabel wanden sich wie Schlangen im offenen Weltraum zwischen Schiff und Station.
»OH MANN!«, hörte er Krackey murmeln, dann vernahm er ein Klicken, als die Verbindung getrennt wurde.
Die Brennkammern waren bereit zur Fusion von Wasserstoff. Er musste sie nur mit dem Brennstoff speisen, sobald sich sein Schiff in sicherer Entfernung zur Station befand. »Alles aus dem Weg! Ich zünde jetzt die Triebwerke.«
»BANDICUT, WARTE!«, schrie eine panikerfüllte Stimme. »WIR HABEN NOCH IMMER EINEN MANN DA DRAUßEN!«
Er fluchte und verzögerte die Triebwerkszündung. »Ihr habt eine Minute!«, warnte er sie und überprüfte die Monitore. Falls besagter Mann schon an Bord war, schenkte er ihnen womöglich dummerweise die Zeit, die sie brauchten, um Bandicut aufzuhalten. Er blickte von den Kontrollen auf – sein Bewusstsein noch größtenteils im NeuroLink versunken – und wäre beinahe aus dem Sitz gesprungen. Ein Mann in Raumanzug schwebte direkt vor ihm, starrte ihn durch das Manövrierfenster aus dem All an. Es war Jensen und er winkte ihm wütend zu.
»JENSEN, VERSCHWINDEN SIE DA, VERDAMMT NOCH MAL!«, rief die Stimme von der Station.
»NEGATIV. ER MUSS DIREKT DURCH MICH DURCHFUEGEN. ICH GLAUBE NICHT, DASS ER DAS TUN WIRD.«
»HIMMEL, JENSEN, DER MANN IST VERRÜCKT!«
»Dreißig Sekunden«, brummte Bandicut laut. Wütend wies er Jensen mit dem Daumen die Richtung, in die er verschwinden sollte, und fragte sich, was er machen sollte, wenn Jensen sich weigerte, aus der Flugbahn zu gleiten. Er klappte sein Helmvisier zu und dachte: Ich will ihn nicht verletzen – aber ich will auch nicht, dass er durch dieses Fenster hier kracht …
»BANDICUT, WIR VERSUCHEN JULIE STONE ZU IHNEN DURCHZUSCHALTEN!«
Lasst das lieber, flüsterte er lautlos. Bitte.
///Lass die Düsen kurz aufpuffen, rückwärts gerichtet.///
/Hä?/ Dann begriff er, was das Quarx meinte. Er zündete die bugwärts ausgerichteten Triebwerke für eine halbe Sekunde. Das Schiff glitt rückwärts, fort von der Gestalt in Raumanzug – mit dem Heck auf die Station zu. »ZEHN SEKUNDEN!«, schrie er.
Nach wie vor blieb Jensen in der Flugbahn. Er näherte sich wieder dem Fenster.
///Gib mir ein paar Joules Energie in Fusionskammer vier.
NUR in Kammer vier!///
/Aber Charlie … die Station!/ In wenigen Sekunden würde er die hinteren Triebwerke zünden müssen, wenn er nicht mit der Orbitalstation zusammenstoßen wollte, Jensen hin oder her.
///Lass es mich versuchen.
Ich werde die Station nicht beschädigen.///
Bandicut speiste eine winzige Menge Treibstoff in Brennkammer vier ein. Die an die Heckkameras gekoppelten Monitore zeigten eine gewaltige Lichtblume an. Das Schiff glitt vorwärts, auf Jensen zu. Die gesamte Station hinter dem Schiff schien in Flammen zu stehen.
»JESUSGOTTALLMÄCHTIGER!« Der Com-Verkehr war erfüllt von panischen Schreien und statischem Rauschen. /Was haben wir nur getan, Charlie?/
///Nur ganz wenig. Vertrau mir.///
Vor dem Schiff drehte sich Jensen hektisch um. Er zündete seine Anzugstriebwerke und floh zur Seite, fort von dem Schiff. Die Neptune Explorer bewegte sich weiter vor, doch der Lichtblitz verblasste und erstarb, und Bandicut übernahm mit den Manövriertriebwerken die Kontrolle über das Schiff. Die Neptune Explorer bewegte sich dicht an einem Seitenflügel der Station vorbei, fast parallel zu ihm … und näherte sich ihm immer mehr. Bandicut musste ein Triebwerk feuern, um nicht mit der Station zusammenzustoßen. Puff. Puff. Puff. Das Schiff glitt nicht weiter auf die Station zu. Auf einem der Monitore sah er Jensen davonschlingern, erfasst von einem Triebwerkstrahl. Bandicut stieß einen Fluch aus, konnte aber nichts tun, außer auf Abstand zur Station zu gehen.
///Warte! Öffne die Luftschleuse. Behalte die Entfernung zur Station bei, bis wir an diesem Hangar da vorbeikommen.///
Bandicut gehorchte; er befürchtete, bewaffnete Männer könnten von der Station in die Schleuse springen – obwohl er wusste, sein Schiff bewegte sich relativ zur Station schnell genug, dass diese Möglichkeit eher als unwahrscheinlich einzustufen war. Er richtete eine der Außenkameras auf den Hangar am Ende der Station – und
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