01 - Nicht ohne meine Tochter
Behandlungstisch fest. Ihre kleine Faust zerquetschte mir fast die Hand. Gefangen in Moodys Gewalt und hysterisch schluchzend, kämpfte Mahtab immer noch. Ich wandte meinen Blick ab, als die Nadel in ihre Haut stach. Jeder Schrei, der durch das Behandlungszimmer hallte, schien mein Herz zu durchbohren. Eine Welle des Hasses durchlief meinen Körper. Das war alles Moodys Schuld, denn er hatte uns in diese Hölle gebracht. Die Prozedur dauerte mehrere Minuten. Tränen liefen mir über das Gesicht. Es gibt keinen größeren Schmerz für eine Mutter, als hilflos dabeizustehen, wenn ihr Kind leidet. Ich wollte diese Tortur für meine Tochter auf mich nehmen, aber das konnte ich nicht. Mein Magen rebellierte, und auf meiner Haut stand der kalte Schweiß, doch es war Mahtab, die die körperlichen Schmerzen ertragen musste. Es gab nichts, was ich tun konnte, außer ihre Hand zu halten und ihr so durchhalten zu helfen. Nachdem er mit dem Nähen fertig war, schrieb der iranische Arzt ein Rezept für eine Tetanus-Spritze, händigte es Moody aus und gab ihm noch einige Anweisungen.
Wir fuhren los. Mahtab wimmerte an meiner Brust, als Moody uns das fremdartige Verfahren erklärte, nach dem wir dann vorzugehen hatten. Wir mussten eine Apotheke finden, die ein Tetanusgegenmittel vorrätig hatte, dann zu einer anderen Klinik fahren, die die Genehmigung hatte, Spritzen zu verabreichen. Ich konnte nicht begreifen, wie Moody sich dazu entschließen konnte, hier anstatt in Amerika zu praktizieren. Er beanstandete die Arbeit des iranischen Arztes. Wenn er seine eigenen Instrumente dabeigehabt hätte, sagte er, hätte er Mahtabs Wunde viel besser nähen können. Mahtab war erschöpft, als wir endlich wieder bei Ameh Bozorg zu Hause ankamen, und fiel sofort in einen unruhigen Schlaf. Sie tat mir so leid. Ich beschloss, die nächsten beiden Tage ein fröhliches Gesicht zu machen, extra für ihren Geburtstag.
Zwei Tage später, frühmorgens an Mahtabs fünftem Geburtstag, gingen Moody und ich zu einer Bäckerei, um eine große Torte zu bestellen, die ungefähr einen Meter zwanzig lang sein und die Form einer Gitarre haben sollte. In Farbe und Konsistenz war sie einem amerikanischen yellow cake ähnlich, nur relativ geschmacklos. »Warum verzierst du sie nicht selbst?« schlug Moody vor. Das war eine meiner besonderen Fähigkeiten. »Nein, ich habe nichts, womit ich das machen könnte.« Unbeirrt prahlte Moody beim Bäcker: »Sie verziert nämlich Torten!« Sofort sagte der Bäcker auf Englisch: »Möchten Sie das vielleicht hier machen?« »Nein«, erwiderte ich bissig. Ich wollte im Iran nichts tun, was nur im entferntesten nach Arbeit aussah.
Wir fuhren nach Hause und bereiteten die Party vor. Es sollten mehr als einhundert Verwandte kommen, obwohl sie sich für den Anlass eigens freinehmen mussten. Ameh Bozorg arbeitete angestrengt in der Küche und bereitete eine Art Hühnersalat vor, der reichlich mit Mayonnaise übergossen wurde. Darauf schrieb sie mit Erbsen Mahtabs Namen in Farsi. Ihre Töchter bereiteten Platten mit Kebabs und kalten Lammfleischscheiben, mit weißem Käse und Gemüseschößlingen, die in feinen Mustern angeordnet wurden.
Morteza, der zweite Sohn Baba Hadschis und Ameh Bozorgs, kam zum Helfen herüber und brachte seine Frau Nastaran und ihre einjährige Tochter Nelufar mit, ein süßes Kleinkind mit funkelnden Augen und einem freundlichen Wesen. Mahtab spielte mit ihr, während Morteza und Nastaran die Halle mit Luftballons, Fähnchen und bunter Folie schmückten. Mahtab vergaß den Schock vom Vortag und redete die ganze Zeit über ihre Geschenke, die sie nachher auspacken würde.
Die Gäste strömten ins Haus und brachten bunt eingepackte Pakete mit. Mahtabs Augen wurden immer größer, als sie den wachsenden Berg der wunderbaren Dinge betrachtete. Morteza, Nastaran und Nelufar gingen weg und kamen später mit einer Überraschung zurück - einer Torte, die genauso aussah wie die, die wir bestellt hatten. Im selben Moment brachte Madschid auch unsere Torte vom Bäcker nach Hause. Wie sich herausstellte, war die Doppelung ein glücklicher Zufall, denn als Madschid mit unserer Torte das Haus betrat, griff Nelufar ganz aufgeregt danach und riss sie ihm aus der Hand. Sie fiel auf den Boden und ging zu Madschids und Nelufars Bestürzung kaputt. Zumindest hatten wir noch eine Torte.
Mammal eröffnete die Party und klatschte zur Begleitung einiger fremdklingender Kinderlieder rhythmisch in die Hände.
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