01 - Nicht ohne meine Tochter
dich abzuholen. Mach dir keine Sorgen.« Die Hilfslehrerin führte Mahtab sanft fort. Mahtab versuchte, tapfer zu sein, aber als Moody und ich uns zum Gehen wandten, hörten wir unsere Tochter vor Trennungsschmerz laut weinen. Mir brach das Herz, aber ich wusste, dass ich es in diesem Moment nicht wagen konnte, mich dem Verrückten zu widersetzen, der meinen Arm festhielt und mich auf die Straße hinausführte.
Wir fuhren stumm im orangenen Taxi nach Hause und fanden dort Nasserine mit einer Botschaft für uns vor. »Die Schule hat angerufen.«, sagte sie. »Mahtab macht ein zu großes Geschrei. Ihr müsst sie abholen.« »Das ist alles deine Schuld!« schrie Moody mich an. »Du hast sie so gemacht. Sie ist kein normales Kind mehr. Du bist zu besitzergreifend.« Ich nahm die Beschimpfung schweigend entgegen, denn ich wollte nicht mehr als unbedingt nötig riskieren. Meine Schuld? Ich hätte am liebsten laut geschrien: Du bist derjenige, der ihr Leben völlig durcheinandergebracht hat! Aber ich hielt an mich, wohl wissend, dass seine Worte zum Teil auch stimmten. Ich hatte Mahtab sehr behütet. Ich hatte Angst gehabt, sie aus den Augen zu lassen, weil ich befürchtete, dass Moody und seine Familie hinterlistige Pläne ausbrüteten, um sie mir wegzunehmen. War das meine Schuld? Wenn es überhaupt eine Situation gab, die nach einer überfürsorglichen Mutter verlangte, dann diese.
Moody stürmte allein aus dem Haus und tauchte wenig später mit einer eingeschüchterten Mahtab im Schlepptau wieder auf. »Morgen gehst du wieder in die Schule!« befahl er. »Und du bleibst allein da. Wehe, wenn du weinst.« Nachmittags und abends sprach ich, so oft sich die Gelegenheit bot, unter vier Augen mit Mahtab. »Du musst es tun.«, riet ich ihr. »Sei stark. Sei ein großes Mädchen. Du weißt, Gott wird mit dir sein.« »Ich hab gebetet, dass Gott einen Weg finden würde damit ich nicht in die Schule muss«, weinte Mahtab. »Aber er hat mein Gebet nicht erhört.« »Vielleicht doch.«, erinnerte ich sie. »Vielleicht gibt es einen Grund, weshalb du in die Schule sollst. Denke niemals, dass du allein bist, Mahtab. Gott ist immer bei dir. Er wird für dich sorgen. Vergiss das nicht: Wenn du Angst hast und allein bist und nicht weißt, was los ist, dann musst du einfach beten. Du musst nicht darauf achten, was die anderen sagen, bete einfach. Alles wird gut werden.«
Trotz meiner Ratschläge wachte Mahtab am nächsten Morgen angsterfüllt und weinend auf. Mein Herz tat weh, als Moody sie grob anzog und sie zur Schule mitnahm. Mir verbot er, mitzugehen. Der Klang ihres verängstigten Geschreis hallte noch lange, nachdem sie fort war, in meinem Herzen wider. Ich ging nervös auf und ab und schluckte den Kloß in meinem Hals immer wieder hinunter, während ich auf Moodys Rückkehr wartete. In dem Moment, als er allein zurückkam, hielt Essey ihn unten an der Treppe an, um ihm mitzuteilen, dass die Schule schon wieder angerufen hatte, weil er Mahtab abholen solle. Sie wollte nicht mitmachen. Ihr Geschrei brachte die ganze Schule in Aufruhr. »Ich werde sie holen.«, sagte er wütend zu mir. »Ich werde ihr eine solche Tracht Prügel geben, dass sie das nächste Mal dableibt.« »Bitte, tu ihr nichts!«, rief ich ihm hinterher, als er aus dem Haus stürmte. »Bitte, ich rede mit ihr.« Er schlug sie nicht. Stattdessen richtete sich bei seiner Rückkehr seine Wut eher gegen mich als gegen Mahtab, denn die Schulleiterin hatte etwas von ihm verlangt, wozu er nicht bereit war. »Sie wollen, dass du mit ihr zur Schule gehst,«, sagte er, »und dass du dort im Sekretariat bleibst, während sie in der Klasse ist. Wenigstens für ein paar Tage. Nur so sind sie bereit, sie zu nehmen.« Es läuft tatsächlich etwas!, sagte ich mir. Ich war verstimmt und traurig, dass er Mahtab zwang, in die iranische Schule zu gehen, aber plötzlich gab es für mich eine Gelegenheit, regelmäßig aus dem Haus zu kommen. Moody war zwar misstrauisch, sah aber keine Alternative. Er legte strenge Regeln fest. »Du hast im Sekretariat zu bleiben und nirgendwo hinzugehen, bis ich dich und Mahtab abhole.«, sagte er. »Du wirst das Telefon nicht benutzen.« »Ja.«, versprach ich, Ta'arof im Herzen.
Am nächsten Morgen nahmen wir zu dritt ein Taxi in die Schule. Mahtab war immer noch ängstlich, aber sichtlich ruhiger als an den beiden anderen Morgen. »Deine Mutter bleibt hier.«, sagte Moody und zeigte auf einen Stuhl im Flur vor dem Sekretariat.
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