01 Nightfall - Schwingen der Nacht
Aktenkoffer auf dem Sitz neben ihr. Dantes Vergangenheit. Alles, woran er sich nicht entsinnen konnte oder wollte, in einem schwarzen Köfferchen. Dantes Vergangenheit. Er sollte den Inhalt zuerst sehen. Die Faust um ihr Herz lockerte sich, und sie atmete auf.
Nachdem sie die Sache mit Elroy Jordan erledigt hatten, würde sie Dante den Aktenkoffer geben, ihm erzählen, was Stearns gesagt hatte und dann bei ihm bleiben, wenn er sich den Inhalt betrachtete.
Was, wenn Dante doch ein Monster war?
Heather sah aus dem Beifahrerfenster, die Hände im Schoß verkrampft. Schwarz und vermeintlich endlos sauste die Straße draußen vorbei. Sie dachte an den Geschmack von Dantes Lippen und die Hoffnungslosigkeit in seiner Stimme im Schlachthaus. Sie dachte an ihre Versprechen.
Ich werde dich nicht im Stich lassen.
Ich helfe dir, damit er für immer aufhört.
Ich werde nie Beweise unterschlagen, ganz gleich, wie schmerzhaft das für alle Beteiligten auch sein mag.
Stearns pinkelte in eine leere Orangensaftflasche, ohne das Haus, das Thomas Ronin gemietet hatte, aus den Augen zu lassen. Als er fertig war, schraubte er den Deckel wieder zu und stellte die Flasche langsam auf den Boden vor dem Beifahrersitz.
Dann öffnete er das Fenster einen Spalt breit, um frische Luft hereinzulassen.
Das hübsche Häuschen stand einen Block entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Stearns beobachtete es seit zwölf Uhr mittags. Er hatte einen Mann Mitte dreißig mit schütterem brünetten Haar gesehen, der in einem Jeep weggefahren und eine Stunde später in einem weißen Transporter mit schwarz getönten, UV-geschützten Scheiben wieder zurückgekommen war. Jordan. Dem Ausdruck zufolge, den er in Prejeans Küche gelesen hatte, war er Wallaces Hauptverdächtiger bei den CCK-Morden, und er gehörte ebenfalls zu Johanna Moores Experimenten.
Ronin war nirgendwo zu sehen, aber ein eleganter Camaro parkte in der Einfahrt und ließ vermuten, dass der Journalist zu Hause war. Stearns verstand noch immer nicht, wie Ronin ins Bild passte. War er hinter den Exklusivrechten an der Geschichte her? Hatte er mit einem wahnsinnigen Serienmörder eine Abmachung getroffen?
Warum nicht? Stearns hatte im Laufe seiner Karriere schon bizarrere, düsterere Dinge erlebt und mitgemacht.
Jemand kam aus der Haustür. Wieder Jordan, doch diesmal waren sein Gesicht und seine Klamotten mit etwas besudelt. In dem schwindenden Licht war es schwierig auszumachen, was es war. Als Jordan aber begann, mehrere Schlüssel im Kofferraumschloss des Camaro auszuprobieren, wurde Stearns auf einmal klar, dass es sich um Blut handeln musste.
Was auch immer zwischen Jordan und dem Journalisten gewesen sein mochte – es sah ganz so aus, als hätte diese Beziehung ein plötzliches Ende gefunden. Ein offenbar unappetitliches, aber unweigerliches Ende. Sich auf Serienmörder einzulassen war genauso gefährlich, wie mit einer aufgeklappten Schere durch die Gegend zu laufen – früher oder später würde es einen erwischen.
Endlich ließ sich der Kofferraum öffnen, und Jordan begann, darin herumzuwühlen. Nach einem Augenblick richtete er sich auf und klappte dann den Kofferraumdeckel wieder zu. Ärgerlich trat er mehrmals gegen das Auto und schlug dann mit der Faust gegen den Kofferraum.
Durch den offenen Fensterspalt konnte Stearns hören, wie Jordan »Scheiße!« brüllte.
Stearns legte die Hand auf die Glock, die neben ihm auf dem Sitz lag.
Mit Enttäuschungen kommt er nicht allzu gut klar.
Jordan stürmte zur Haustür zurück und blieb dann stehen. Als wisse er nicht, was er jetzt tun sollte, begann er, nervös auf und ab zu laufen. Hat er Angst, wieder reinzugehen? dachte Stearns. Nach etwa einer Minute richtete er sich auf und ging ins Haus.
Mit der Glock in der Rechten glitt Stearns aus dem Buick LeSabre.
Gifford sog an seinem Zigarillo und genoss den würzigen Tabak mit Vanillearoma, den Blick auf den Buick LeSabre gerichtet, der auf der gegenüberliegenden Straße drei Blocks von ihm entfernt parkte. Er blies den Rauch durch das Fenster, das er einen Spalt breit geöffnet hatte.
Stearns stieg aus, den rechten Arm an der Seite, seine Waffe eine schwarze Silhouette an seinem Bein. Er überquerte die Straße und ging auf das Haus zu, in dem E verschwunden war. Gifford drückte den halb gerauchten Zigarillo im Aschenbecher des Wagens aus. Ohne Agent Wallace konnte er nicht das MordSelbstmord-Szenario inszenieren, aber in den Jahren mit Johanna
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