01 Nightfall - Schwingen der Nacht
drehte sich zum Waschbecken und drehte den Kaltwasserhahn auf. Dann sah er in den Spiegel. Im schwindenden Abendlicht sah er die Buchstaben, die auf die Oberfläche geschmiert waren.
WARTE AUF MICH. In schwarzem Lippenstift.
Dante schmunzelte und strich mit einem Finger über die Nachricht. Heathers Witterung hing noch an ihm – Flieder und Salbei –, und er wollte ihn nicht abwaschen. Noch nicht. Nachdem er sich das Gesicht mit kaltem Wasser abgespritzt hatte, öffnete er die Badezimmertür.
Lucien wartete auf ihn. Seine goldenen Augen blitzten im Zwielicht. »Wirst du Ronin dennoch verfolgen?«
»Das geht dich nichts an«, antwortete Dante und ging an ihm vorbei.
Dante bemerkte eine Bewegung am Rand seines Sichtfelds und wich zu spät aus. Lucien packte ihn an den Schultern, Klauen drangen in Dantes Fleisch, was sich anfühlte, als wäre er von Nadeln durchbohrt worden. Er spürte, wie ihm warmes Blut über den Rücken lief. Fauchend versuchte er, sich zu befreien, aber Lucien ließ ihn nicht los.
»Es geht mich etwas an«, sagte Lucien fest entschlossen, »und es wird mich immer etwas angehen. Du bist mein Sohn.«
Dante starrte ihn entgeistert an. In seinem Kopf dröhnte es. Sein Sohn? »Lass los.«
Lucien nahm die Hände von ihm. Blut schimmerte auf den Spitzen seiner Klauen. »Ich hätte es dir sagen müssen …«
»Ja, hast du aber nicht«, sagte Dante mit heiserer Stimme. »Jetzt ist es zu spät.« Er wirbelte herum und stürmte aus dem Zimmer.
Draußen stürmte er die Treppe hinab. Sein ganzer Körper war zum Zerreißen gespannt, und sein Herz raste. Er rang nach Luft. Er brauchte Blut, und er musste die Wahrheit erfahren.
Sühne. Vielleicht würde er alles, was er wusste, und alle, die er liebte, verlieren, bis er seine Schuld beglichen hatte.
Er fand Simone im Wohnzimmer. Sie hatte sich neben Von auf der Couch zusammengerollt. Ihre Augen weiteten sich, als sie Dante sah, und auch der Llygad richtete sich mit gerunzelter Stirn auf.
»Was ist los?«, fragte sie und gab ihm den Telefonhörer.
Dante schüttelte den Kopf. Er bemühte sich, ruhig zu atmen. »Oui, chérie?«, sagte er ins Telefon.
»Warte auf mich«, entgegnete Heather. In der Leitung knisterte es. »Ich bin bald zurück.«
Würde er auch sie verlieren?
»Komm nicht her. Ich bin dann nicht mehr hier«, erwiderte er und drückte auf den Kopf, um das Gespräch zu beenden. Das Telefon glitt ihm aus der Hand und schlug mit dumpfem Knall auf dem Boden auf.
In der anschließenden Stille hörte Dante das Rauschen von Flügeln. Dann knarrte die Decke, als Lucien oben auf dem Dach landete. Sein Vater. Ein Gefallener.
Wovor hast du Angst … Blutgeborener?
Zorn flackerte erneut in ihm auf und durchströmte brodelnd seinen Körper. »Nicht vor dir, Voyeur«, wisperte er. »Nicht vor dir.«
28
KONVERGENZ
»Scheiße!« Heather starrte frustriert auf das Handy in ihrer Hand. »Halsstarriger …« Sie warf Collins einen Blick zu. »Wir müssen uns beeilen. Dante ist schon ohne uns unterwegs. «
Der Wagen schoss davon, nachdem Collins Gas gegeben hatte. »Ich hoffe, Sie irren sich nicht mit Ihrem Verdacht. Wenn wir Jordan mitnehmen, um ihn zu befragen, will ich nicht, dass wir ihn wegen technischer Details wieder laufen lassen müssen.«
»Meine Nachforschungen haben eindeutig ergeben, dass Jordan jedesmal am Tatort war, wenn es einen Mord gegeben hat«, antwortete Heather. »Wenn wir seine DNS analysieren, wird sich in jedem der Fälle zeigen, dass er der Täter war.« Sie ließ das Mobiltelefon in ihre Handtasche fallen.
Die Glut, die in ihr schwelte, seit sie erwacht war und Dante neben sich entdeckt hatte, war beim Klang seiner Stimme zu neuem Leben erwacht. Oui, chérie? Sie konnte ihn fast riechen – warm, erdig und einladend. Doch hinter Dantes Worten hatte seine Stimme angestrengt geklungen. Migräne? Oder war etwas anderes?
Es ist so still, wenn ich mit dir zusammen bin. Der verstummt.
Ich helfe dir, damit er für immer aufhört.
Heather kannte in Seattle Hypnotherapeuten, die eventuell in der Lage gewesen wären, Dantes Unterbewusstsein dazu zu bringen, sich zu öffnen, und zu helfen, seine Vergangenheit ohne Schmerzen aus dem Dunklen ins Licht zu befördern. Sie fuhr sich durchs Haar. Bei Menschen waren sie dazu in der Lage. Aber bei Vampiren? Bei nachtaktiven, blutsaugenden Raubtieren? Ihre Psyche war vermutlich ganz anders aufgebaut – ja sie musste es geradezu sein. Sie seufzte leise.
Sie warf einen Blick auf den
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