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01 Nightfall - Schwingen der Nacht

01 Nightfall - Schwingen der Nacht

Titel: 01 Nightfall - Schwingen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Phoenix
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Wahrheit, die ihr schon in den ersten Tagen an der Akademie eingeimpft worden war. Jeder log. Schuldige logen. Unschuldige logen. Gesetzeshüter logen. Verbrecher logen. Die Gründe
mochten verschieden sein – um etwas zu verbergen, einen anderen zu schützen, etwas zu vertuschen –, aber alle logen.
    Heather betrat das Badezimmer und schloss hinter sich ab. Sie betrachtete ihr erschöpftes Gesicht im Spiegel. Haarsträhnen klebten ihr an Wangen und Hals. Dunkle Schatten umgaben ihre Augen. Sie drehte das kalte Wasser auf und sprühte sich etwas ins Gesicht.
    Dante stand also im Ruf, nicht zu lügen.
    Heather trocknete ihr Gesicht mit einem weichen himmelblauen Handtuch ab und sah dann wieder in den Spiegel. Das besagte im Grunde nur, dass er glaubte , ein Vampir zu sein. Wenn seine Freunde, ja sogar seine Feinde diese Wahnvorstellung noch förderten, dann konnte er ihr ungestört nachhängen und glaubte wirklich, die Wahrheit zu sagen.
    Sie fasste sich an den Hinterkopf, zog die Haarnadeln heraus und öffnete ihren französischen Zopf. Ihr Haar, von der Luftfeuchtigkeit etwas kraus geworden, fiel ihr über die Schultern.
    Was, wenn er tatsächlich ein Vampir war? Was, wenn alle in diesem Haus genau das waren, was sie behaupteten zu sein – lichtscheue Vampire? Wie hatte Dante sich genannt? Nachtgeschöpf …
    Heather holte ihre Bürste und ihr Make-up-Täschchen aus der Handtasche und legte beides auf die Ablage.
    Aber sie hatte Dante kurz nach Sonnenaufgang abgeholt.
    Es war diesig gewesen. Er hatte sich mit Sonnenschutz eingecremt, Sonnenbrille und Handschuhe getragen. Sein Gesicht hatte er unter einer Kapuze verborgen.
    Dann war da seine verwirrende Schnelligkeit. Jefferson hatte abgedrückt. Die Kugel hätte Dante treffen müssen. Doch das hatte sie nicht.
    Das Verlangen in seinem Gesicht. Das noch immer tropfende Blut, das die ganze Luft erfüllt hatte.

    Warum hatte er sich dann verhaften lassen? Waren Vampire nicht stark genug, um Handschellen zu zerreißen?
    Heather bürstete sich mühsam die Haare. Der Gedankengang gefiel ihr nicht, aber es war einer, den sie verfolgen musste. Sie hatte im Laufe der Jahre gelernt, dass man alles aus allen Blickwinkeln untersuchen musste, ganz gleich, wie absurd es auch sein mochte.
    Was war mit der Szene im Club? Die Sache mit Etienne und seinen düsteren Drohungen?
    Heather lehnte sich gegen das Bord vor dem Spiegel und zog ihren Lippenstift nach. Das konnte auch ein Spiel gewesen sein. Einige Rollenspieler nahmen ihre Liverollenspiele sehr ernst, vor allem Vampire- und Werwolf-Gruppen. Das hatte sie in Seattle mehr als einmal erlebt.
    Was, wenn es kein Spiel gewesen war?
    Was hatte Etienne gesagt?
    Hier geht es nicht um die Gefallenen.
    Plötzlich lief ihr ein kalter Schauder über den Rücken. Sie steckte den Lippenstift wieder in ihr Make-up-Täschchen, das sie dann in ihre Tasche zurückschob. Erneut blickte sie in den Spiegel. Ihr Spiegelbild schaute zurück – die Pupillen geweitet und in dem dämmrigen Licht beinahe schwarz, umrahmt von Kornblumenblau.
    Sie musterte ihre Hände, die schon wieder zitterten. Gefallen? Wie in »gefallene Engel«? Nachtbringer. Irgendwie schien alles an De Noir unwirklich zu sein: die starke Präsenz, die er ausstrahlte, das goldene Schimmern in seinen schwarzen Augen, die Geschwindigkeit, mit der er auf Etienne zugestürmt war.
    Heather streifte ihren Trenchcoat ab und legte ihn sich über den Arm, damit sie leichter an die Achtunddreißiger kam. Sie strich ihren Pulli glatt, öffnete die Badezimmertür und trat wieder auf den Flur. Die Haustür ging auf, als sie den Salon
betrat. De Noir kam herein und schloss leise die Tür hinter sich.
    Eine dunkle Vorahnung jagte ihr Schauer über den Rücken. »Wo ist Dante?«, fragte sie.
     
    Senior Agent Craig Stearns nippte an seinem Kaffee – dem Hundertsten an diesem Tag – und blickte aus seinem Bürofenster in eine regnerische Nacht in Seattle hinaus. Er versuchte seit dem Morgen, Wallace zu erreichen, doch ohne Erfolg. Sie hatte weder auf seine Mails noch auf seine Anrufe reagiert.
    Wallace war bisher nie so lange verschwunden gewesen, ohne sich zu melden. Ihre letzte Nachricht hatte gelautet, sie werde einigen Spuren nachgehen und ihn dann kontaktieren.
    Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Geistesabwesend blätterte er einige Akten durch, die sich vor ihm stapelten. Er hatte sie alle bereits mehrmals gelesen.
    Falls Agent Wallace etwas

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