01 Nightfall - Schwingen der Nacht
einfach.
Alles, was er tun musste, war, seine Agentin zurückzurufen und einen Mörder laufen lassen.
Wieder einmal.
10
UNVORHERGESEHEN
Ronin lenkte seinen Camaro an den Bordstein und schaltete den Motor ab. Er warf einen Blick auf das tragbare GPS-Gerät. Dante hatte sich eine Weile nicht gerührt, dann hatte er sich weiterbewegt, allerdings wesentlich langsamer. Das hieß, der Junge war jetzt zu Fuß unterwegs.
Nachdem Ronin ausgestiegen war, schob er seine Kreditkarte in die Parkuhr und zahlte für zwei Stunden. Er warf einen weiteren Blick auf das GPS und begann dann, die von der Straßenbeleuchtung erhellte Canal Street in Richtung Mississippi entlangzulaufen. Selbst hier drängten sich Touristen und Straßenhändler auf den Bürgersteigen, und auf den vier Fahrbahnen kamen die Autos nur langsam voran. Immer wieder hupte jemand, um Fußgänger zu warnen, die rechts und links neben den Zebrastreifen auf die Straße traten.
Ronin bemühte sich, nicht schneller als ein Sterblicher zu gehen. Er mischte sich unter eine kleine Gruppe von Fußgängern, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Sich anpassen, nicht auffallen, gewöhnlich und damit unsichtbar werden – das war momentan seine oberste Priorität. Er wollte nicht, dass Dante ihn bemerkte. Noch nicht. Das GPS-Gerät zeigte ihm, dass der junge Vampir nur wenige Blocks vor ihm war.
Noch etwas, das E nicht wusste: Mikrochipgroße GPS-Sender waren am Schädel unterhalb des Nackenmuskels jedes Probanden des Bad-Seed-Projekts eingesetzt worden. Johanna hatte darauf bestanden, immer zu wissen, was mit ihren Versuchsobjekten geschah, sobald man sie losgelassen hatte.
Natürlich waren die meisten Probanden – die nichts voneinander oder von Bad Seed wussten und noch weniger ahnten, dass sie selbst Teil dieses Projekts waren – inzwischen tot oder im Gefängnis. E und Dante waren die Einzigen, die noch frei herumliefen.
Ronin blickte auf und schaute über einige Fußgänger hinweg. Er entdeckte Dante einen Block entfernt. Er war von dem lichtdurchfluteten, glitzernden Harrah’s stehen geblieben, und zwar neben dem schwarzen Eisengitter in der Nähe des Eingangs.
Ronins Muskeln spannten sich vor Aufregung an, als er seinen Schritt verlangsamte und die Gruppe, unter die er sich gemischt hatte, ohne ihn die Straße überqueren ließ. Ein Straßenhändler saß auf einem Metallklappstuhl neben einer Laterne und hatte seine Ware – farbenfrohe »MARDI GRAS!«-T-Shirts, Plastikperlen und anderen billigen Modeschmuck – auf einem Tuch vor sich auf dem Bürgersteig ausgebreitet.
Ronin blieb stehen und ließ den Blick über die Auslage des Mannes wandern. Er gab sich neugierig. »Was tut Dante da«, fragte er sich, während er die »DRUNK ON BOURBON STREET«-Shirts und die Freundschaftsbänder betrachtete. Traf er jemanden? Oder hatte er vor, an den einarmigen Banditen zu spielen?
»Das hier ’s echt angesagt«, sagte der Händler, ein Schwarzer Mitte zwanzig, geschäftstüchtig. Er hielt ein Shirt hoch, auf dem SHOW ME YOUR TITTIES! stand. »Neue Lieferung. Die sind ständig ausverkauft.«
»Aha«, brummte Ronin. »Kann ich mir vorstellen.« Er sah wieder die Straße hoch.
Dante lehnte am Gitter und hielt sich mit beiden Händen an den Eisenstäben fest. Er stand ganz in der Nähe einer Straßenlaterne mit zwei Glaskugeln, aber nicht direkt darunter, so dass sein Gesicht im Schatten der Kapuze lag. Das Licht spiegelte sich auf seiner Lederhose und blitzte auf seinen Ringen, Ohrringen und Armbändern. Er hatte den Kopf gesenkt und den Blick auf den Bürgersteig gerichtet.
Die Leute, die ins Harrah’s hineingingen oder herauskamen, sahen ihn neugierig an. Mehr als einer blieb stehen und starrte Dante an, bis er von einem weniger erstarrten Begleiter einen Stoß bekam und weiterlief.
»Vielleicht gefällt Ihnen das hier besser? Sir?«
Ronin riss sich von Dantes Anblick los und betrachtete das T-Shirt mit der Aufschrift LAISSEZ LES BON TEMPS ROULLER, das der Händler jetzt für ihn hochhielt. Amüsiert euch, was das Zeug hält. Ronin nickte.
»Ja, das. Wie viel?«
»Zehn, Sir. Nur Bargeld.«
Während Ronin seine Geldbörse aus der Hosentasche zog, warf er einen weiteren Blick die Straße hinauf. Zwei Männer in Jeans und Saints-Sweatshirts waren bei Dante stehen geblieben. Sie steckten die Köpfe zusammen, gestikulierten und schienen in eine lebhafte Diskussion vertieft zu sein. Einer wies über die Canal Street zum French Quarter hinüber.
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