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01 Nightfall - Schwingen der Nacht

01 Nightfall - Schwingen der Nacht

Titel: 01 Nightfall - Schwingen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Phoenix
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ihn aufmerksam beobachtete. Der Aingeal zupfte ein Blütenblatt ab und schob es in den Mund. Sternenlicht schillerte auf seinen Stammeszeichen.
    »Gemeinsam könnten wir diesen Creawdwr binden«, sagte Loki. »Wir könnten ihn vor dem Wahnsinn retten. Wir könnten ihn fesseln und ausbilden . Wir könnten die Elohim vereinigen, und du könntest wieder über Gehenna herrschen. «
    »Herrschen«, spie Lucien. »Überlege es dir genau, bevor du mich ein zweites Mal beleidigst.« Er stand auf, die Hände zu Fäusten geballt. »Ich werde nie zulassen, dass dieser Creawdwr an den Willen der Elohim gebunden wird. Hör genau zu: Lieber töte ich ihn.«
    Lokis Gesichtsausdruck erstarrte. Er sah auf die Blumen, die er in der Hand hielt. »Du kannst ihn nicht davor bewahren, den Verstand zu verlieren, Bruder. Nicht allein«, sagte er nachdenklich. »Wenn du ihn nicht bindest, wäre der Tod möglicherweise wirklich das Beste für ihn.«
    »Ich kann ihn nicht allein binden.« In Luciens Stimme lag Bitterkeit, eine Bitterkeit, die ihn selbst überraschte. Er wandte den Blick ab.
    »Du brauchst mich.«
    Lucien lachte. »Bis jetzt bin ich gut allein zurechtgekommen. « Er sah in Lokis goldene Augen. »Ausgerechnet du willst mir mit der Wahrheit kommen?«
    Loki strich sich den Blütenstaub von den Lippen und versuchte, nicht zu zeigen, dass er lächelte. »Unser Geheimnis«, sagte er. »Lilith und der Morgenstern werden es nie erfahren. Niemand wird es erfahren. Du kannst mir trauen.« Er sah Lucien mit gespielter Aufrichtigkeit an. »Ich schwöre es, Samael. Bei meinem Namen.«

    »Ah.« Lucien hob die Hände und betrachtete das Blut, das aus den Wunden quoll, die er sich durch seine Krallen zugefügt hatte.
    »Dein Anhänger gefällt mir«, sagte Loki und schob sich weitere Nelken in den Mund. »Ein Zeichen für Freundschaft. Ein Geschenk?«
    »Ja. Von meinem Sohn. Ein ganz besonderes Kind.«
    Loki verschluckte sich vor Sprachlosigkeit, hustete eine Weile und lächelte schließlich. »Du hast einen Sohn? Ich gratuliere …«
    Lucien hielt seine blutenden Hände über Lokis Haupt. Blasses, ätherisches Licht floss aus seiner Haut und vermischte sich mit dem Nebel. Blut tropfte auf die rote Mähne des Aingeals und dann auf die nebelverhangene Erde, mit der es sich vermischte.
    Lokis Augen weiteten sich, als ihm bewusst wurde, was er gerade gehört hatte. »Ein besonderes Kind … der Creawdwr !« Unfähig, sich von der Stelle zu rühren, schlug er schützend seine Flügel nach vorn. Der blasse Nebel wickelte sich um den hockenden Aingeal und wob allmählich ein festes Netz um ihn.
    »Gebunden durch Erde, Blut, Luft und die Kraft deines wahren Namens, Drwg von den Elohim, fessle ich dich an deinen Schwur und versiegle dich in Stein«, sagte Lucien mit einer tiefen Stimme, die in der Nacht widerhallte. »Keine Stimme, kein Blick, kein Odem, bis ich das Siegel breche und dich wieder zu Fleisch zurückverwandle. Bei meinem Namen, so soll es geschehen.«
    Zutiefst erschöpft ließ sich Lucien auf ein Knie nieder und zeichnete eine goldene Glyphe auf Lokis steinerne Stirn. Dann musterte er die hockende Gestalt. Die Flügel nach vorn gelegt, den Mund weit aufgerissen in einem endlosen Schrei, zum Teil verschlungene Blumen in einer Krallenhand – so bewachte Loki das Mausoleum mit dem Eisentor, ein unwilliger Wächter der Ewigkeit.

    »Jetzt vertraue ich dir, Bruder.«
    Luciens Flügel trugen ihn in die Nacht. Er drehte sich über der leuchtenden Stadt mehrfach um die eigene Achse, während er den breiten, sich dahin schlängelnden Fluss in der Ferne sah. Tief sog er die eiskalte Luft ein. Dennoch lag ihm die Furcht dunkel und schwer wie Marmor im Magen.
    Dantes Anhrefncathl – das einzigartige Lied eines Creawdwrs – hatte die dünne Mauer zwischen Gehenna und der Welt der Sterblichen durchdrungen.
    Hatte nur Loki Dantes Lied gehört? War er aus eigener Entscheidung gekommen? Oder hatte ihn jemand geschickt?
    Weit über Lucien dröhnte ein Flugzeug durch die Nacht. Seine Scheinwerfer durchdrangen das Dunkel. Nach einer Weile wurde das Brausen seiner Motoren allmählich leiser und verklang.
    Wie lange konnte er sein Kind noch vor den Elohim verstecken? Wie konnte er Dante davon abhalten, seine Gaben als Creawdwr zu nutzen? Gaben? Seit wann war Wahnsinn eine Gabe? Der letzte Creawdwr hatte sein Gesicht in eine brennende Lichtsäule verwandelt und mit einem Blick Bäume in Brand gesteckt.
    Ich bin.
    Alter Schmerz schnürte Lucien den Hals

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