Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 Nightfall - Schwingen der Nacht

01 Nightfall - Schwingen der Nacht

Titel: 01 Nightfall - Schwingen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Phoenix
Vom Netzwerk:
die Erde herabriss.
    Das Chaoslied, dunkel, verschlungen und pulsend, floss in Luciens verbrannten Geist. Schöpfer. Unschöpfer. Führungslos und einsam.
    Er wusste in diesem Augenblick, dass er seinen Sohn im Stich gelassen hatte. Genauso wie er Genevieve im Stich gelassen hatte – und Jahwe.
    Die hohen Türme einer Kirche tauchten unter ihm auf; verwitterte schwarze Giebel füllten sein Sichtfeld. Er krachte durch das alte Holz, stürzte durch Dachboden, Decke und dicke Holzbalken. Jeder Aufprall drehte seinen Körper um die eigene Achse. Seine Knochen brachen. Holzsplitter bohrten sich in seine Flügel, und Schmerz umhüllte ihn wie ein rotglühendes Netz.
    Wie ein Komet fiel Lucien in einen schimmernden Raum. Über ihm standen die Worte SANCTUS SANCTUS SANCTUS
DOMINUS DEUS SABAOTH, die in die gebogenen Balken der hohen Decke geschnitzt worden waren.
    Sein Schmerz schlug in seine Verbindung zu Dante zurück. Dessen Lied wurde schwächer und verstummte dann.
    Lucien?
    Lucien schloss mit letzter Kraft die Verbindung zwischen ihnen. Dann knallte er auf die schweren hölzernen Kirchenbänke. Sein Körper schien vor Schmerz zu zerspringen, während Holzsplitter durch die nach Kerzen duftende Kathedrale von St. Louis flogen. Er schlug auf dem Boden auf.
    Die goldene Decke drehte sich. SANCTUSSANCTUSSANC-TUS verschwamm zu einer bernsteinfarbenen Farbschliere.
    Lucien versank in Dunkelheit.
     
    Heather tauchte aus traumloser Finsternis auf. Ihr Kopf schmerzte. Sie schlug die Augen auf und starrte in den wolkenverhangenen Nachthimmel. Sie lag auf dem Boden – einem harten, feuchten Kiesgrund, so wie sich ihr Rücken anfühlte. Sie versuchte, sich zu erinnern, was geschehen war.
    Ein Windstoß. Berstendes Glas.
    Zeit für Dante, aufzuwachen.
    Ronins Stimme hallte durch Heathers pochenden Kopf. Sie setzte sich auf oder versuchte es zumindest. Etwas an ihrem rechten Handgelenk riss sie hart und mit einem Klirren zurück, und sie fiel auf die Seite. Sie atmete den Geruch nassen Schmutzes, von Öl und faulendem Abfall ein. Sie warf einen Blick auf ihr Handgelenk. Etwas Metallisches glänzte dort im Dunkel. Man hatte sie in der Gasse an ein Abwasserrohr gekettet.
    Wie lange war sie bewusstlos gewesen? War Dante noch drinnen? Was war mit Ronin?
    Heather rutschte auf das Abflussrohr zu. Dort drehte sie dem Bauwerk den Rücken zu und setzte sich auf. Sie tastete die Handschellen ab. Wahrscheinlich ihre eigenen. Dann fasste
sie nach ihrer Tasche, doch sie war nicht mehr da. Nach einer Weile entdeckte sie sie am anderen Ende der Gasse. Der Inhalt war wie Konfetti über den Kiesboden verteilt. Sie schlug mit dem Kopf gegen das Haus hinter ihr.
    Wo war ihre Pistole?
    Ein rasches Absuchen der Umgebung bestätigte ihre Befürchtung: Sie war nirgends zu sehen.
    »Mist. Mist. Mist!«
    Erinnerungsfetzen. Ein Feuerrad aus Metall rast durch die Nacht …
    Sie blickte zum Dach des Schlachthauses hinauf. Na gut. Es musste einen Weg geben, wie sie da rauf kam. Ein volles Magazin in ihrer Manteltasche … Heather tastete den Trenchcoat ab und spürte es unter dem Stoff. Sie schloss die Hand um das rechteckige Ding.
    Erleichtert atmete sie auf und schaute dann zum Seiteneingang des Gebäudes. Die Tür stand halboffen, so dass etwas Licht in die Gasse fiel. Sie lauschte, konnte aber nichts hören. Ihr Blick wanderte über die Sachen, die in ihrer Tasche gewesen waren: Make-up-Beutel, FBI-Marke, Geldbörse, Schlüssel, Pfefferminzkaugummi, Nagelschere, Handy, Nagelfeile, eine kleine Taschenlampe.
    Heathers Blick kehrte ruckartig zur Nagelfeile zurück. Wenn sie sie erreichen konnte, konnte sie vielleicht das Schloss der Handschellen öffnen.
    Sie beugte sich so weit vor, wie es ihre Fessel zuließ und streckte den freien Arm nach der Nagelfeile aus. Ihre Finger bemühten sich, sie zu erreichen, und ihre Nägel gruben sich in den Kies. Sie streckte sich, die Handschellen zerkratzten ihr Handgelenk und drückten gegen den Knochen. Schmutz bohrte sich unter ihre Nägel.
    Keuchend vor Anstrengung und Atemlosigkeit und mit einem qualvoll pochenden Handgelenk drückte sich Heather mit dem
Rücken gegen die Mauer. Es war zu weit. Wenn sie etwas gehabt hätte, mit dem sie danach angeln könnte …
    Sie legte sich auf die Seite, den gefesselten Arm hinter sich ausgestreckt, und tastete den Kies mit den Füßen ab. Ihre Schuhe schoben und traten die Steinchen, Müschelchen und Glassplitter, Zigarettenstummel und hart gewordene Kaugummis auf ihre Hand

Weitere Kostenlose Bücher