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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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ein zerbrochenes Schwert, zurückgelassen.«
    Suviel brauchte sich nicht umzudrehen, sondern wusste auch so, dass Keren hinter ihr stand. Erschüttert und erfüllt von Furcht hob sie die Hand. »Schweig! Wir wollen dich nicht hören …!« »Ich muss sprechen!« Eine unaussprechliche Qual durchdrang seine Stimme. Der Altar war jetzt beinahe ganz geschmolzen, und die Kleidung des Mannes begann zu glühen und zu qualmen. Er riss den Mund vor Schmerz weit auf. »Ich sehe, wie fünf eins werden, ich sehe den Triumph der Macht, ich sehe wachsende Verzweiflung, und ich sehe einen zwei werden …«Das Rundholz war schwarz verkohlt, während das fauchende Feuer den Körper Avaltis verzehrte und ihn unterhalb seiner Brust bereits verbrannt hatte.
    »Ich sehe die Welt, wie sie in ewiger Nacht versinkt…«
    Die Flammen schlugen in seinen offenen Mund, und er schrie auf. Sekunden später war er nur noch eine glühende Masse, die rasch dahinschmolz, bis nichts mehr übrig war. Die grünen Flammen schrumpften, flackerten und erloschen. Das Rundholz löste sich zu Asche auf, die auf den Tempelboden rieselte. Suviel schüttelte sich und drehte sich um. Keren stand nur einige Schritte von ihr entfernt, Gevran an ihrer Seite, der sie fest umklammerte.
    »Was hat er gesagt?«, fragte Keren. »Er hat mich angesehen und zu mir gesprochen, aber ich habe nur ein merkwürdiges, fauchendes Geräusch gehört. Es klang wie ein ferner, reißender Fluss.«
    »Nichts von Bedeutung«, sagte Suviel so überzeugend, als glaubte sie es selbst. »Böse Zauberei hat ihn mit Wahnsinn geschlagen.« Sie ignorierte den skeptischen Blick der Schwertkämpferin und ging zu Gilly, der auf einem eingeschlagenen Fass saß und in den jetzt dunkleren, ausgebrannten Tempel starrte.
    »War das wirklich Avalti?«, fragte sie ruhig.
    Er nickte. »Ich habe ihn singen gehört, damals am Hohen Tag der Orden in Adnagaur, etwa ein Jahr bevor die Mogaun über uns kamen. Ich dachte, er wäre tot.« Er lachte freudlos und rieb sich das Gesicht.
»Ein eiserner Fuchs, unsichtbar für die Meute.
Was bedeutet das?« Ein verzweifelter Unterton schwang in seinen Worten mit. »Der Fuchs ist mein Familienwappen. Was wollte er damit sagen?«
    Um sie herum erloschen allmählich die letzten Brände. Die rauchige Stille legte sich wie der Schlaf des Todes über das Dorf.
    »Schlag dir seine Worte aus dem Kopf«, empfahl ihm Suviel. »Er war in der Gewalt des Brunn-Quell, und daraus entspringen nur Lügen.«
    Die schlimmste Lüge jedoch, die sie kannte, war die Halbwahrheit.
Ein gefrorener Vogel, gefangen im Eis.
Wujads Becken.
    Und die Frage war, welche Hälfte war die Wahrheit, und welche eine Lüge?

8
    Die Ketten des Königs
machen aus uns allen ein Imperium.
    DAS BUCH DER PARODIEN
    Die Zusammenkunft fand im Reich der Dämmerung statt, unter einem schwefligen Himmel, in einer staubigen Senke, die von einer ruhenden Armee bevölkert war. Bymak trug wieder seine strahlende, mit Stacheln bewehrte Rüstung und ritt durch einen breiten Gang zwischen Kriegsmaschinen, Reitern und Kampfwagen, Fußsoldaten und wilden Kreaturen vorüber. Ein Panoptikum von tausenden von Kämpfern, die regungslos und mit von ihm abgekehrten Gesichtern dastanden. Eine schwache, warme Brise zupfte sacht an den Bannern und Flaggen und wehte Byrnak den Geruch von Leder und Eisen in die Nase. Hinter dem Rand der Niederung ragte eine gewaltige, von Türmen flankierte Zitadelle empor. Eine zweite war als graue Silhouette in der Ferne zu erkennen. Eine betäubende Stille hing über allem, ein Schweigen, das nur von dem Trommeln der Hufe seines Pferdes und dem gelegentlichen Flattern der Wimpel unterbrochen wurde.
    Während er ritt, rührten sich Bilder in einem Winkel seines Verstandes, und eine Erkenntnis schwebte unmittelbar unter seinem Bewusstsein. Er sah brutale, in Felle gehüllte Barbarenhorden, bewaffnet mit Keulen und Speeren, riesige, wolfähnliche Kreaturen in Lederharnischen, große Krieger mit schwarzen Mähnen und Langschwertern aus rotem Eisen. Er zog an Berittenen vorüber, auf deren Schultern Kriegsvögel mit Schutzkappen über den Köpfen hockten, an Rittern mit gehörnten Helmen und juwelenbesetzten Streitäxten, daneben hatten Regimenter um Regimenter von Frauen und Männern Aufstellung bezogen, die alle für den Krieg gerüstet waren. Die wartende Masse von Kriegern schien sofort zum Angriff bereit. All das war ihm vertraut, dem Teil in ihm vertraut, der, wie Byrnak jetzt wusste, einmal ein Gott

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