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01 - Tage der Sehnsucht

01 - Tage der Sehnsucht

Titel: 01 - Tage der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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Aufmerksamkeit der anderen Gäste
eher angeregt als gehemmt, erzählte Rainbird hier die unglaubliche Geschichte
von dem Geizkragen von Mayfair. Die Wirkung war verblüffend. Wie ein Stein, der
in einen Teich geworfen wird und konzentrische Wellen schlägt, so breitete sich
der Klatsch vom Grosvenor Square bis zum St. James Square in allen Kreisen der Diener
aus. Doch die Diener erzählten es auch ihren Herren und Herrinnen, so dass
diese schließlich auch ihrerseits miteinander darüber sprachen.
    Der nächste Tag
sollte ein noch denkwürdigeres Ereignis bringen. Mr. Sinclair verkündete seine
Absicht, seine »Tochter« zu der Zeit, da die elegante Welt unterwegs war, auf
einen Spaziergang im Hyde Park zu begleiten.
    Anfangs waren die
zynischen Diener, denen man gesagt hatte, es würden Mr. Sinclair und sein
Mündel erwartet, geneigt gewesen zu glauben, Fiona sei möglicherweise seine
Freundin. Aber ihr leicht zerstreutes, unschuldiges Auftreten, verbunden mit
Mr. Sinclairs barschem Verhalten ihr gegenüber, hatte diese skandalöse
Behauptung bald zum Schweigen gebracht.
    Mr. Sinclair
wartete im vorderen Salon auf Fiona, die ihm gesagt hatte, dass sie ihr erstes
Komplet fertiggestellt habe und es tragen wolle. Er hoffte inständig, dass sie
nicht wie eine Landpomeranze aussehe. Hätte ich sie doch nur gedrängt, sich von
einem Modeschneider beraten zu lassen, dachte er jetzt. Aber so ungeschickt
Fiona auch war, sie schien sich wenigstens auf die Haushaltsführung zu
verstehen. Er sah ganz verblüfft, ja geradezu ehrfürchtig drein, als Fiona nun
den Raum betrat.
    Sie trug ein
pinkfarbenes Kleid aus Crêpe mit hoher Taille und Puffärmeln, dessen Ausschnitt
tief genug war, um ihren schönen Busen zur Geltung zu bringen. Ein
tscherkessischer Strohhut, dessen Krempe auf der einen Seite aufgebogen war,
damit man ihre glänzenden schwarzen Locken sah, und sich auf der anderen Seite
nach unten bog, gab ihr etwas ausgesprochen Flottes und zugleich Apartes. Der
Mode entsprechend trug sie lange Handschuhe, deren dunkles Rosa ebenso wie der
Rosenstrauß auf ihrem Hut vorzüglich zum Farbton ihres Kleides passten.
    »Du bist aber
fesch«, flüsterte Mr. Sinclair.
    »Hoffen wir, dass
ich nicht die Vögel von den Bäumen vertreibe«, meinte sie etwas geziert.
    Arm in, Arm
betraten sie den Park zu der Stunde, zu der dort die elegante Welt promenierte.
    Fionas Erscheinen
war eine Sensation. Die Kutscher verlangsamten ihre Fahrt, während die Insassen
der Wagen aufstanden, um besser sehen zu können. Fiona schwebte graziös an Mr.
Sinclairs Seite dahin. Es war der erste schöne Tag. Schäfchenwolken trieben am
blauen Himmel entlang, und alles war grün und frisch nach dem kürzlichen Regen.
Von Fionas Schönheit und Unschuld ging etwas aus, das selbst den abgebrühtesten
Lebemann an eine verzauberte Prinzessin im Elfenbeinturm denken ließ.
    Vergeblich
versuchten die Damen, auf Mängel bei Fiona hinzuweisen. »Sie ist zu gewagt
gekleidet«, bemerkte eine, aber das war eine so offenkundige Unwahrheit, dass
die Neiderin selbst errötete, während sie das sagte.
    Zu Mr. Sinclairs
Überraschung schien Fiona wacher als sonst. Ihre grauen Augen wanderten
interessiert über die Kutschen. Es war fast so, als ob sie jemanden suche.
    Mr. Sinclair
wartete, bis sie den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit bildeten. Dann griff er
sich dramatisch ans Herz und stieß seltsame, gurgelnde Laute aus.
    »Papa«, rief Fiona
so laut, dass ihre Stimme mit dem singenden Tonfall den sie umgebenden
Zuschauern deutlich vernehmbar war. »Was fehlt Ihnen?«
    Mr. Sinclair lallte
einige unverständliche Worte, zerrte verzweifelt an seiner Krawatte und fiel
mit allen dazugehörigen Anzeichen in eine schwere Ohnmacht. Herren eilten
herbei, um zu helfen.
    Fiona, die jetzt im
Gras neben dem hingefallenen Mr. Sinclair kniete, sah mehr denn je wie eine
romantische Heroine aus. »Sagen Sie ein Wort, Papa«, drängte sie.
    Mr. Sinclair
öffnete die Augen und sagte schwach: »Es ist das Herz. Ach, Fiona, du weißt ja,
ich habe nicht mehr lange zu leben. Geizig wie ich nun einmal bin, konnte ich
dir nur ein schlechter Vater sein. Aber wenn ich sterbe, soll dir all mein Geld
gehören.«
    Als seien sie von
einer der neuen elektrischen Maschinen galvanisiert worden, so schauten die
Zuschauer plötzlich drein. Eifrige Hände hoben Mr. Sinclair sanft in die
Kutsche des berühmten Lord Alvanley, der persönlich die Stirne des alten Mannes
mit seinem Taschentuch abwischte.
    Eine

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