01 - Tage der Sehnsucht
begleichen.«
»Das zeugt von sehr
viel Vertrauen«, erwiderte Fiona und lächelte wieder.
»Sie möchten also
mitspielen?« bohrte Lady Disher voller Ungeduld.
»Darf ich etwas von
diesem köstlichen kleinen Gebäck und den Sandwiches mit nach Hause nehmen?«
entgegnete Fiona.
Alle schwiegen
entsetzt. Aber Lady Disher, begierig, etwas von dem Gold des Geizkragens von
Mayfair in die Hände zu bekommen, erwiderte mit schwacher Stimme: »Aber gewiss
doch!« Sie rief einem großen schwarzen Lakaien zu: »Charles, geh in die Küche
hinunter und sage dort, dass man einen Korb mit Sandwiches und Kleingebäck für
Miß Sinclair zurechtmachen soll.«
Kartentische wurden
hereingebracht, und die Damen kamen endlich zu dem für sie Wesentlichen.
Klatsch und Geplauder erstarben. Erwartungsvolles Schweigen breitete sich aus.
Die Gastgeberin saß
neben Fiona, um sie in das Spiel einzuführen. Sie wollte Fiona zunächst sehr
viel Geld gewinnen lassen und sie dann schröpfen.
Die Einsätze waren
sehr hoch. Am Ende des dritten Spiels hatte Fiona 5oo Pfund gewonnen. »So viel
Geld«, sagte sie ganz benommen, als ein Bündel Banknoten und ein Stapel Guineen
vor sie hingeschoben wurden.
»Nun, jetzt werden
Sie sich sicher genug fühlen, um mit mehr Risikofreude zu spielen«, meinte Lady
Disher. Die Karten wurden verteilt. Mit ruhigem Lächeln lehnte sich Lady Disher
zurück. Sie glaubte jetzt, Fiona den Todesstoß versetzen zu können. Selten
hatte sie jemand so geschröpft, wie sie das jetzt mit dem jungen Mädchen
plante. Ihre regelmäßigen Gäste durften an manchen Tagen gewinnen und mussten
dafür an anderen verlieren. Sie waren viel zu sehr dem Spiel verfallen, um zu
merken, dass sie dabei immer viel mehr verloren als gewannen.
»Für eine
Anfängerin verstehen Sie sich sehr gut aufs Kartenspiel«, bemerkte Lady Disher.
»Danke«, erwiderte
Fiona und senkte ihre Stimme so, dass nur Lady Disher mit ihrem guten Gehör
etwas verstand. »Anfangs wußte ich nicht, was ich denken sollte.« Ihre
schlanken Finger glitten gefühlvoll über die Rückseite der Karten. »Jetzt ist
mir klar, dass zwei Nadelstiche auf der Rückseite ein As bedeuten, vier einen
König, einer eine Dame und ...«
Lady Disher entriss
ihr die Karten. »Meine Diener haben die Karten offenbar gezinkt«, tuschelte
sie. Sie sammelte auch die der anderen Spielerinnen ein. »Sie sind schon sehr
abgenutzt.« Sie lächelte. »Wir reißen am besten ein neues Kartenpäckchen auf.«
»Soll ich
nachsehen, ob sie an den anderen Tischen auch diese merkwürdigen Karten haben?«
fragte Fiona eifrig.
»Nein«, wehrte Lady
Disher ab. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn.
»Was nein?« fragte
Mrs. Carrington argwöhnisch.
»Nichts ... absolut
nichts«, erwiderte Lady Disher fröhlich und riss die Verpackung eines neuen
Spiels auf.
Fiona betrachtete
ihre Nachbarin interessiert, als frage sie sich, warum diese plötzlich von
einer Hitzewelle ergriffen wurden, denn das Zimmer war angenehm kühl. Lady
Disher hatte scharfgeschnittene Gesichtszüge, und wenn sie lächelte, was oft
geschah, entblößte sie zwei Reihen kräftiger gelber Zähne. Aber jetzt lächelte
sie nicht. Um ihren Mund hatten sich zwei tiefe Falten gebildet, und ihre Augen
blickten hart und glanzlos.
Entschlossen, alles
richtig zu machen, sah auch Fiona finster drein.
Der Geruch, wenn
eine Dame schwitzte, wurde von den Herren oft als angenehm empfunden, und sie
sprachen von ihm zartfühlend als »bouquet de corsage«. Aber als Fiona fortfuhr
zu gewinnen, war der Geruch, der von Lady Disher ausströmte, alles andere als
angenehm.
Nachdem Fiona i5oo
Pfund gewonnen hatte, fühlte sie sich plötzlich unwohl. »Ich muss gehen«, sagte
sie. Mit schnellen, geschickten Bewegungen sammelte sie all die Münzen und
Banknoten ein und stopfte sie in ihr Handtäschchen.
»Das können Sie
nicht machen!« klagte Lady Disher und packte sie am Ärmel.
»Aber ich muss«,
erwiderte Fiona und zog ihre feingeschwungenen Brauen erstaunt in die Höhe.
»Papa wird sich ohne mich einsam fühlen.«
Lady Disher blickte
wütend um sich. Aber sie hatte ihre Verbündeten an den anderen Tischen
verloren.
Sie beobachteten
schadenfroh, wie Lady Disher endlich einmal ihre wohlverdiente Strafe bekam.
Schließlich hatte sie ihnen ja auch keine Gelegenheit gegeben, Fiona etwas von
dem Gold des Geizkragens abzuluchsen. Nur ihre Freundinnen Mrs. Carrington und
Mrs. Jensen hatte sie aufgefordert, mit Fiona zu spielen. Diese beiden
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