01 - Tage der Sehnsucht
Mr.
Rainbird. Ich werde den ersten anständigen Mann, der um meine Hand anhält,
heiraten.«
»Warten Sie damit
noch ein bisschen. Die Saison hat erst begonnen.« Er stieg langsam zur
Gesindestube hinunter und befahl Jenny, Miß Fiona heiße Milch mit Ale
hinaufzubringen, da das gnädige Fräulein Kopfweh habe.
»Hoffentlich ist
sie nicht wütend auf uns, weil wir zu spät gekommen sind«, erkundigte sich
MacGregor ängstlich.
»Nein«, erwiderte
Rainbird. »Sie ist mit uns allen sehr zufrieden.«
»Mr. Rainbird, Sie
sehen aus, als ob Sie jeden Augenblick losheulen wollen«, bemerkte Lizzie.
Rainbird zwang sich
zu einem Lächeln. »Nein, Lizzie. Ich habe ebenfalls Kopfweh. Es muss die Hitze
sein.« In Wirklichkeit war es Rainbird weh ums Herz. Er fühlte sich wie der
Vater einer großen, aber armen Familie. Es waren so viele, die man lieben und
für die man sorgen musste. Und nun war Miß Fiona auch noch dazugekommen. »Wenn
Miß Fiona Lord Harrington haben möchte«, erklärte er laut, wobei er mit der
Faust auf den Tisch schlug, »dann, zum Donnerwetter, soll sie ihn auch
bekommen, und wenn ich Seine Lordschaft an Händen und Füßen gefesselt vor sie
schleppen müsste.«
Achtes Kapitel
Es war außerordentliches Pech, dass die
traurigen Ereignisse der nächsten vierzehn Tage gerade zu dem Zeitpunkt
eintraten, als Lord Harrington die Stadt verlassen hatte, ein gewisser Sir
Edward Kirby aber geblieben war.
Dass letzterer
überhaupt auf der Bildfläche erschien, rührte von einem Komplott her, das die
Damen der Gesellschaft geschmiedet hatten, um Fiona zu ruinieren. Nicht dass es
eine von ihnen - mit Ausnahme von Lady Disher - je ausdrücklich
gesagt hätte, aber man war sich doch einig, dass Personen wie Fiona Sinclair es
verdienten, zugrunde gerichtet zu werden.
Zu schmerzlich
waren einfach die Verluste, die die Veranstalterinnen von Glücksspielen zu
spüren bekamen. Im Gegensatz zu den soliden Herrenklubs basierten ja ihre
Salons auf Schröpfen und Gewinnemachen. Doch Fiona schien allen Machenschaften
zu entgehen und jeden Tag reicher zu werden.
Aber auch die
Mütter von heiratsfähigen Töchtern kochten vor Wut. Waren doch alle begehrten
Herren von der Schönheit Fionas so geblendet, dass sie die anderen Mädchen, die
neben ihr nur ein Schattendasein führten, gar nicht mehr wahrnahmen. Das war um
so schlimmer, als bei den hohen Kosten, die eine Saison verursachte, nur die
wenigsten daran denken konnten, ihre Töchter noch ein zweites Jahr auf den
Heiratsmarkt zu bringen.
Lord Harrington
hatte noch kurz vor seiner Abreise an die einflussreichsten Patronessen von Almack
geschrieben und ihnen empfohlen, Einladungskarten an Miß Sinclair zu schicken.
Aber die Feindschaft der anderen Frauen ihr gegenüber war jetzt so stark, dass
selbst diese strengen Hüterinnen des gesellschaftlichen Lebens es nicht mehr
wagten, das verfemte Mädchen die Schwelle ihrer berühmten Ballsäle in der King
Street überschreiten zu lassen.
Es war übrigens Mr.
Pardon, der Lady Disher den Wink gab, dass Sir Edward Kirby für eine gewisse
Summe vielleicht bereit sei, Fiona zu ruinieren.
Sir Edward Kirby
war erst kürzlich aus dem Ausland zurückgekehrt. Er besaß großen Charme, war
ein unverbesserlicher Spieler, und Moral war für ihn ein unbekanntes Wort. Den
Gerüchten zufolge hatte er zahlreiche Debütantinnen zugrunde gerichtet, denn
der Lebemann bevorzugte unberührte junge Mädchen. Wenn er Gefahr lief, für
seine Vergehen zur Rechenschaft gezogen zu werden, verließ er einfach das Land.
Wie alle
Schürzenjäger schien er die Frauen wirklich gern zu haben. Selbst Mädchen, die
vor ihm gewarnt worden waren, erlagen reihenweise seinem Charme. Er sah nicht
besonders gut aus, war nur mittelgroß und hatte schütteres Haar. Aber er besaß
eine fröhliche, jungenhafte Art und blitzende blaue Augen. Er schien nicht zu
altern. Sein charmantes Auftreten und die Gabe zu verführen nahmen mit den Jahren eher
noch zu. Ei- gab sich den Freuden des luxuriösen Lebens in jeder Weise
hin, wurde jedoch wie die meisten Gewohnheitsspieler oft von
Zahlungsaufforderungen geplagt.
Mr. Pardon lud ihn
zusammen mit Lady Disher und drei anderen Besitzerinnen von Spielhöllen, die
Fiona ärmer gemacht hatte, zum Dinner ein. Keine der Geladenen war so
bedenkenlos, Sir Edward Kirby ihren üblen Plan offen vorzutragen. Kirby sollte nämlich
Fiona zum gemeinsamen Durchbrennen überreden und sie dann in der Folge um ihre
Jungfräulichkeit
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