01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
mit diebischem Vergnügen.
Angelica beachtete ihren albernen Bruder nicht weiter und ging zu ihrem Kleiderschrank.
»Und? Du scheinst den Rest des George-Eliot-Zitats vergessen zu haben.«
»Ach ja?«
Mikhail schaute seiner Schwester mit Unschuldsmiene dabei zu, wie sie ein Kleid nach dem anderen verwarf.
»Das vollständige Zitat lautet: ›Ich bestreite nicht, dass die Frauen töricht sind: Gott der Allmächtige hat sie nach dem Ebenbild der Männer erschaffen.‹«
Mikhail grinste.
»Hmja, der Teil scheint mir entfallen zu sein. Also, ich geh jetzt, Angelica. Bis gleich.« Angelica, die ein weiß-goldenes Kleid im griechischen Stil herausnahm, blickte ihrem Bruder vorwurfsvoll hinterher.
»Lauf nur weg, du Feigling.«
»Nicht zu fassen, dieser Mann!«
Angelica verzog das Gesicht und schaute zu dem Baron, der nun mit einer Dame tanzte, die sich als Marie Antoinette verkleidet hatte.
»Männer sind Schweine. Tatsache!« Joanna zuckte die Schultern und tätschelte Angelicas nackte Schulter. »Obwohl ich den Mann schon verstehen kann: So wie du heute Abend aussiehst, ist es ein Wunder, dass er nicht mehr versucht hat, als dich in den Po zu kneifen.«
Angelica warf ihrer Freundin einen gereizten Blick zu, sagte aber nichts. Mehr als alles andere ärgerte sie sich über sich selbst. Sie hatte viel zu viel Zeit auf den Baron verschwendet, hatte gehofft, in ihm einen möglichen Heiratskandidaten zu finden, dabei wollte dieser Mann nichts weiter als einen billigen Flirt. Sie musste besser aufpassen; ihre Zeit war zu kostbar.
Nun, da der Abend sich dem Ende zuneigte, taten ihr die Füße weh, und sie hatte keinerlei Fortschritte gemacht. Nicholas hatte sich nicht blicken lassen, und da dies ein Maskenball war, fiel es ohnehin schwer, die Männer, die alle ähnliche schwarze Masken trugen, voneinander zu unterscheiden. Wie sollte sie da den Marquis finden, den sie noch auf ihrer Liste hatte?
»Darf ich bitten, schöne Dame?«
Joanna schlug sich die Hand vor den Mund, als sie das Gesicht sah, mit dem Angelica ihren neuen Kavalier betrachtete. Er war noch ein halbes Kind! Nein, nein, der kam nicht in Frage.
»Danke, aber ich fürchte, mir tun die Füße weh.«
»Dürfte ich Ihnen dann vielleicht eine Erfrischung bringen, meine Göttin?«
Angelica konnte Joanna hinter vorgehaltener Hand kichern hören und musste an sich halten, um nicht die Augen zu verdrehen. Das war nicht im Geringsten komisch! Sie brauchte einen Ehemann, und alles, was sie fand, waren grüne Jungen und alte Männer, die sich wie kleine Jungen aufführten!
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich hatte ohnehin vor, bald nach Hause zu gehen.«
»Dann dürfte ich vielleicht …«
»Nein, dürfen Sie nicht!« Angelica schnitt dem Jüngling das Wort ab, noch ehe er vorschlagen konnte, sie nach Hause zu begleiten.
»Ganz wie Sie wollen, meine Venus.«
Der Knabe verbeugte sich und verschwand, zu Angelicas großer Erleichterung.
»O meine Venus!«, säuselte Joanna.
»Lass das, Joanna. Du bist schrecklich!«, zischte Angelica, während schon der nächste Herr Kurs auf sie nahm. Er war zum Glück etwas älter - nicht zu alt - und machte in seinem grünen Brokatjackett keinen schlechten Eindruck.
Er beugte sich tief über ihre Hand.
»Prinzessin Belanow.«
Angelica warf ihrer Freundin einen fragenden Blick zu. Diese formte hinter vorgehaltener Hand einen Namen. Trenson? Das konnte nicht sein, sie kannte keinen Trenson … ah ja!
Angelica setzte ein strahlendes Lächeln auf.
»Lord Trenton.« Sie neigte den Kopf. Hier stand ein möglicher Kandidat vor ihr. Lord Trenton war Witwer und sehr vermögend, wie man sich erzählte.
Erfreut darüber, erkannt worden zu sein, bot ihr der Lord seine Hand.
»Darf ich bitten?«
»Aber gern!« Angelica nahm noch aus den Augenwinkeln Joannas aufmunterndes Nicken wahr, dann ließ sie sich von Lord Trenton auf die Tanzfläche führen.
Er legte seine Hand an ihre Taille und begann, sie schwungvoll übers Parkett zu wirbeln.
»Ich bewundere Sie schon seit geraumer Zeit«, sagte er wenig später.
Angelica wusste nicht so recht, wie sie darauf reagieren sollte. Andere Frauen würden jetzt schamlos zu flirten beginnen, aber sie hatte in solchen Dingen keine Übung.
»Nun, so lange kann es nicht gewesen sein, Lord Trenton. Ich bin ja erst seit kurzem in London.«
»Bitte nennen Sie mich Richard.«
Das erschien ihr reichlich verfrüht, aber vielleicht war sie einfach zu prüde. Sie brauchte
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