01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
diese Frau hier …
»Was sollen wir tun?«
Alexander schaute Angelica an, und er hatte ein Gefühl, als würde es ihn innerlich zerreißen. Er hatte ihren süßen Geruch eingeatmet, und als sie zuvor beinahe hysterisch geworden wäre, musste er an sich halten, um nicht zu ihr zu stürzen, sie in seine Arme zu nehmen und zu beruhigen.
Was gar keinen Zweck gehabt hätte, dachte er bitter. Er war es, vor dem sie sich fürchtete! Dennoch musste er all seine Willenskraft aufbieten, um sich davon abzuhalten, ihr zu sagen, dass ihr nichts zustoßen, dass er sie beschützen würde.
Andererseits: Konnte er das überhaupt versprechen? Der Verstand einer Gedankenleserin mit ihren Kräften ließ sich nicht manipulieren.
Aber die Menschen durften nichts von der Existenz der Vampire erfahren. So besagte es das Gesetz.
Alexander wusste genau, wie die Antwort auf James’ Frage lautete. Und dennoch sträubte sich alles in ihm, sie laut auszusprechen. Sein Blick kehrte zu Angelica zurück. Etwas hatte sich verändert. Ihre Furcht war verschwunden, ihre Miene eisig.
Langsam und stolz erhob sie sich vom Boden und musterte jeden Einzelnen mit ihren kühlen, türkisblauen Augen. Verachtung lag auf ihrer stolzen Miene, als wären sie nichts weiter als Dreck.
»Wir können sie nicht gehen lassen.«
Es fiel James nicht leicht, das zu sagen, das merkte man ihm an. Aber er sprach nur aus, was alle dachten.
Angelica reckte ihr Kinn. Ihre Fäuste öffneten sich, lose ließ sie ihre Hände neben ihrem zarten Musselinkleid hängen.
»Aber natürlich«, sagte Angelica in die Stille, die dieser Ankündigung folgte. »Wie heißt es so schön: ›Eine Tote beißt nicht.‹« Sie lächelte grimmig über die Ironie dieses Zitats. Lord Patrick Gray hatte diese Worte einst gesprochen, als man Queen Mary, der schottischen Königin, den Prozess machte.
Alexander zog die Brauen zusammen. Er war wütend. Wütend auf ihre aufsässige Miene, auf sich selbst, auf die Welt … seine Wut schien ihm wie etwas Lebendiges, und er musste all seine Willenskraft aufbieten, um weiterhin äußerlich ruhig zu erscheinen.
»Lässt sich das denn gar nicht vermeiden, Clanführer?«, flehte Joanna, doch nicht einmal das vermochte Angelicas Eispanzer zu durchdringen. »Es stimmt, ein normaler Mensch wäre des … des Todes«, flüsterte sie, »wenn er etwas über uns herausfände und es uns nicht gelänge, sein Gedächtnis zu manipulieren, aber … aber Angelica ist nicht wie andere. Deshalb glaube ich nicht, dass das Gesetz auch auf sie zutrifft. Sie ist eine Gedankenleserin, eine sehr starke sogar, wenn es stimmt, was Kiril sagt. Sie hätte ebenso viel zu verlieren, wenn die Menschen erführen, was sie ist.«
Alexander schüttelte bedauernd den Kopf. »Das ist Augenwischerei, Lady Joanna. Sie ist dennoch ein Mensch.«
Angelica schaute den großen Mann mit brennenden Augen an. Was hatte sie von ihm erwartet? Er kannte sie ja kaum, hatte nur ein paarmal mit ihr gesprochen. Was kümmerte es ihn, ob sie lebte oder starb? Wie hatte sie nur so verrückt sein können, auch nur eine Sekunde lang zu glauben, er würde ihr beistehen, würde sie retten?
Ihr tat das Herz weh, und zum ersten Mal wurde ihr klar, wie nahe sie daran gewesen war, diesen Mann zu lieben, diesen Fremden, der soeben mit leiser Stimme ihr Todesurteil gefällt hatte.
Sie mochte vielleicht noch heute Abend sterben, aber Prinz Alexander war bereits tot. Für sie war er gestorben.
Kiril mischte sich zögernd ein. »Könnten wir nicht irgendwie dafür sorgen, dass sie es nicht weitererzählt?«
James forderte ihn mit einem Wink auf fortzufahren.
»Wenn ein Vampir die Verantwortung für sie übernähme, könnten wir sie am Leben lassen.«
»Die Verantwortung für sie übernehmen?« James war offensichtlich interessiert. Er kannte das Mädchen zwar kaum, aber er wollte nicht, dass ihr etwas zustieß.
»Ja.« Lady Joanna trat eifrig vor. Sie schaute Angelica an. »Ich würde die Verantwortung für sie übernehmen. Mit deiner Erlaubnis, Clanführer.«
Kiril runzelte die Stirn. »Und wenn sie uns in Gefahr brächte, würde man dich dafür bestrafen, Joanna. Nein, das kann ich nicht zulassen. Ich werde …«
»Du kannst es nicht zulassen?« Joanna war empört, doch James hob beschwichtigend die Hand.
»Eine sehr noble Geste, Lady Joanna, aber ich fürchte, du bist nicht stark genug. Und Kiril ebenso wenig.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Joanna leise. Sie schaute Angelica an, als suchte sie
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