01-Unsterblich wie die Nacht-redigiert-25.10.12
starrte zur Kaminuhr hinauf.
Die ersten Zeichen der Morgendämmerung zeigten sich am Himmel, und er war müde. Aber der Schlaf wollte nicht kommen.
Die erste Liste von James hatte sich als Fehlschlag erwiesen, es war kein Jäger darunter. Allerdings hatte Alexander auch nichts anderes erwartet. Und dennoch, es war ärgerlich. Konnte denn nichts in seinem Leben einfach sein?
Angelica . Komisch, wie ihr Name für ihn zu einem Synonym für schwierig geworden war.
Sie weckte ein Verlangen in ihm, das er nicht zulassen konnte. Er durfte sich nicht ablenken lassen, nicht gerade jetzt, wo seine Leute in Gefahr waren und er seine Pflicht erfüllen musste.
Plötzlich sah er sie vor sich, wie sie ihn angeschaut hatte, als sie heute früh vor ihm kniete. Kein Zweifel, sie liebte ihren Bruder. In diesem Moment hätte er alles von ihr verlangen können. Manche mochten ihre übergroße Liebe für närrisch halten, aber Alexander verstand sie.
Er selbst wäre für Helena gestorben, wenn er nur die Gelegenheit gehabt hätte. Und er war sicher, dass Angelica genauso für ihren Bruder empfand.
»Verflucht!« Sie war in seinem Haus, und sie war ihm unter die Haut gekrochen. Langsam, aber sicher trieb sie ihn in den Wahnsinn. Sie schlief da oben, in ihrem Zimmer, das direkt neben dem seinen lag, schlummerte friedlich, ihr seidiges dunkles Haar übers Kissen verteilt …
»Alexander?«
Einen Moment lang war er überzeugt, dass ihm sein Verstand einen Streich gespielt hatte, aber dann schoben sich zehn nackte Zehen, die unter einem Bettlaken hervorlugten, in sein Gesichtsfeld.
»Ich habe Geräusche gehört und dachte … Ich weiß nicht, was ich dachte. Ist ja nicht so, als ob es etwas Beängstigenderes geben könnte als …« Sie schwieg betreten. Ihre Blicke begegneten sich.
»Vampire?«, beendete Alexander leise ihren Satz.
Er sah, wie sie sich fester in ihr Laken wickelte. Es war offensichtlich, dass sie sich unbehaglich fühlte, doch er tat nichts, um sie zu beruhigen. Es wurde Zeit, dass sie von Sergej erfuhr. Der Vampir war eine Gefahr für alle. Auch sie musste vor ihm auf der Hut sein.
»Setz dich, Angelica. Wo du schon einmal hier bist, muss ich dir ein paar Dinge sagen.«
Sie nickte wie ein folgsames Kind. Wie machte sie das? In dem einen Moment wirkte sie so zerbrechlich und verwundbar und ein andermal so stark und mutig.
»Ja?« Sie musterte ihn wachsam und ein wenig ängstlich, und er war froh darüber. Denn wenn sie ihn mit diesem trotzig gereckten Kinn ansah, fiel es ihm besonders schwer, ihr zu widerstehen.
»Du musst wissen, dass ich aus einem ganz bestimmten Grund nach London gekommen bin. Es gibt da einen Vampir, der unsere Gesetze gebrochen hat. Sein Name ist Sergej. Ich bin hier, um ihn zu fangen und ihm den Prozess zu machen.«
»Welche Gesetze hat Sergej denn gebrochen?«
»Viele. Die ersten zwei zum Beispiel.«
Angelica richtete den Blick auf die Fenster in Alexanders Rücken, hinter deren Scheiben sich die schwarze Nacht abzeichnete.
»Er hat Menschenblut getrunken.«
Es war keine Frage, daher antwortete er auch nicht. Ihm kam der Gedanke, dass es möglicherweise ein Fehler gewesen war, ihr das Gesetzbuch der Vampire zum Lesen zu geben. Sie hatte einen viel zu scharfen, neugierigen Verstand. Dies konnte zu wer weiß wie vielen unangenehmen Fragen führen.
»Du wirst ihn töten, nicht?«
»Ja.«
Es hatte keinen Zweck zu lügen. Wenn er Sergej gefunden hatte, würde er ihn vor den Rat der Vampire bringen, und dann wäre es an Alexander, als Oberhaupt des Clans, aus dem Sergej stammte, das Urteil zu vollstrecken.
»Das machst du also den ganzen Tag über - du suchst ihn?«
»Ihn und einen Jäger.«
Angelica erschauderte. »Einen Jäger?«
»Ein Mensch, der von unserer Existenz weiß und der der Meinung ist, dass wir ausgerottet gehören.«
»Das tut mir leid.«
Zu Alexanders Überraschung wirkte sie traurig.
»Wieso? Es ist doch nicht deine Schuld. Es gibt unter den Menschen genauso Mörder wie unter den Vampiren.«
Sie zuckte die Schultern.
»Es tut mir leid, dass du eine so schwere Verantwortung zu tragen hast. Es kann nicht leicht sein, jemanden töten zu müssen, selbst wenn es noch so viele gute Gründe dafür gibt.«
Unschuldige, ja naive Worte waren dies, aber sie lösten ein warmes Gefühl in ihm aus. Er stand auf und hielt ihr seine Hand hin.
»Komm, du brauchst deinen Schlaf, und ich habe noch zu tun.«
Angelica ergriff sie ohne Zögern. Schweigend erklommen sie
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