010 - Skandal in Waverly Hall
„Ja? Sprechen Sie ruhig aus, was Sie auf dem Herzen haben."
„Lady Anne liebt Sie sehr, Mylord. Sie liebt sie seit dem ersten Tag, als sie als kleines Mädchen nach Hunting Way kam. Sie wird bestimmt zurückkehren. Sie muß eine Verabredung haben, die sie versehentlich nicht erwähnt hat. Ich bin mir völlig sicher."
Dominick zwang sich zu einem Lächeln. „Danke, Bennet."
„Glauben Sie es nicht auch?" „Ja", log Dominick. „Möchten Sie noch einen Imbiß?"
„Nein, Sie können sich jetzt zurückziehen. Verig ebenfalls."
„Gute Nacht, Sir", sagte Bennet.
Nachdem der Butler gegangen war, sank Dominick auf einen Stuhl. Irgend etwas war ganz entschieden schiefgelaufen.
Kurz darauf tauchte Bennet wieder auf und hielt einen versiegelten Umschlag mit dem herzoglichen Wappen in der Hand. Dominick sprang sofort auf.
„Seine Gnaden hat Ihnen eine Nachricht geschickt und ..." begann der Butler.
Dominick wartete seine restlichen Worte nicht ab. Er riß Bennet den Brief aus der Hand und öffnete das Siegel.
Dominick,
Deine Frau ist zur Zeit in Rutherford House. Mach Dich auf einigen Ärger gefaßt. Sie hat die Wahrheit über die Zusatzklausel des Treuhandfonds erfahren. Ich schlage vor, Du wartest ein oder zwei Tage, bevor Du sie wieder nach Hause holst.
Dein Großvater
Dominick starrte auf das Blatt in seiner Hand, bis die Buchstaben vor seinen Augen verschwammen. Dann zerknüllte er das Papier und schleuderte es mit einer heftigen Bewegung in den Kamin.
Er hätte wissen müssen, daß so etwas passieren würde. Weshalb hatte er Anne nicht alles gestanden, solange noch Zeit dafür gewesen war?
„Ist Ihrer Ladyschaft etwas geschehen, Mylord?" fragte Bennet besorgt.
„Nein. Meine Frau hat eine bestimmte Sache falsch verstanden und ist schmollend in die Stadt gefahren", schimpfte Dominick. „Gute Nacht, Bennet."
Er riß sich zusammen und starrte mit dem Rücken zum Zimmer ins Feuer. Nachdem Bennet gegangen war und diskret die Tür hinter sich geschlossen hatte, stöhnte er laut auf. Er drehte sich um und hätte am liebsten auf jemanden eingeschlagen. Aber da war nichts als die Wand, und er wollte sich
nicht die Finger brechen - obwohl dies das mindeste war, was er verdient hatte.
Anne hatte nichts falsch verstanden. Sie hatte die ganze häßliche Wahrheit erfahren.
Irgendwie hatte sie von den Bestimmungen des Treuhandfonds gehört und nahm natürlich an, daß er sie verführt hatte, um Waverly Hall zurückzubekommen. Selbst wenn er es bestritt, würde sie ihm nicht glauben.
Er konnte es ihr nicht verdenken. Ein Mensch, der vier Jahre ohne ein Wort fortgeblieben war, war gewiß nicht sonderlich vertrauenswürdig.
Dominick fluchte erneut, und diesmal schlug er mit der Faust gegen die Wand.
Dominick ritt im leichten Galopp auf seinem Rappen durch den feinen Morgennebel über die feuchte Wiese. Mühelos übersprang er die zahlreichen Steinwälle und behielt stets denselben Rhythmus bei. Er versuchte, weder an Anne noch an das zu denken, was die Zukunft für sie beide bereithielt.
Er beugte sich tiefer über den Hals des Pferdes und drängte es zu einem schnelleren Galopp. Sie flogen über die Wiese, und Dominick genoß den Rausch der Geschwindigkeit. Vielleicht konnte er so die Gedanken an Anne aus seinem Kopf vertreiben.
Dominick war ziemlich sicher, daß er Anne nicht freigeben konnte. Und er war absolut sicher, daß sie ihn inzwischen verabscheute und nichts mehr von ihm wissen wollte. Er wurde ganz krank, wenn er daran dachte, wie sie seinetwegen. litt.
„Warte, Dominick!"
Dominick fluchte innerlich. Er verlangsamte das Tempo und versuchte, seine aufsteigende Verärgerung zu verbergen. Felicity rief ihn erneut an.
Widerstrebend wendete er sein Pferd und kniff die Augen leicht zusammen. Auf der Straße, die der Wiese parallel folgte, entdeckte er einen offenen Einspänner. Als er auf gleicher Höhe mit ihm war, hielt Felicity an.
„Dominick!" Sie winkte heftig mit der Hand und gab ihm ein Zeichen, herüberzukommen.
Dominick lenkte seinen Rappen zu ihr. Er machte keine Anstalten, vom Pferd zu steigen, sondern verbeugte sich nur knapp. „Guten Morgen, Felicity", sagte er und betrachtete
sie eingehend. Felicity sah nicht aus wie eine Frau, die Brandstiftung beging oder Anne so verabscheute, daß sie die Rivalin schwer verletzen oder sogar töten könnte.
Trotzdem hatte niemand mehr Veranlassung dazu als sie.
„Guten Morgen", rief sie überschwenglich und strahlte ihn mit ihren blauen
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