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010 - Skandal in Waverly Hall

010 - Skandal in Waverly Hall

Titel: 010 - Skandal in Waverly Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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war.
    Und was war mit Dominick? Sie sah aus dem Fenster auf den dichten Verkehr in der Claridge Street. Hatte Dominick Fairhaven getötet? War ihr Sohn ein Mörder? Wie würden die Klatschmäuler den Skandal um Dominick und sie genießen! Alle würden wie ein Wolfsrudel über Dominick herfallen und ihn in Stücke zerreißen.
    Ciarisse ballte die Hände zu Fäusten. Nein, Dominick war gewiß unschuldig.
    Außerdem kam ein Mann mit seinen Beziehungen nicht ins Gefängnis und wurde erst recht nicht gehängt, selbst wenn er schuldig war. Sie, Ciarisse, würde dem Sohn vergeben, falls er Fairhaven tatsächlich ermordet hatte. Der Kerl hatte den Tod verdient. Es war nur schade, daß er nicht umgebracht worden war, bevor er sein Wissen an die Welt weitergeben konnte.
    Ciarisse hätte Rutherford am liebsten angeschrien und ihm die wildesten Beschuldigungen an den Kopf geschleudert. Alles war allein seine Schuld!
    Endlich faßte sie einen Plan. Es war ein furchtbarer Racheplan und ihre letzte Gelegenheit, dem Herzog ebenso weh zu tun wie er ihr.
    Er lag im Sterben. Endlich war er machtlos, und sie war froh darüber. Unendlich froh. Obwohl er schon besiegt war, würde sie ihm den letzten fatalen Schlag versetzen.
    Es war an der Zeit, den Duke of Rutherford zu besuchen und zur Tat zu schreiten.
    Anne erhielt die Auskunft, daß Dominick nicht zum Abendessen nach unten kommen würde. Ihr war ebenfalls nicht nach einer großen Mahlzeit zumute, vor allem nicht allein. Deshalb ließ sie sich Tee und Toast aufs Zimmer bringen.
    Doch sie hatte keinen Appetit. Blindlings starrte sie auf den Teller und machte sich Sorgen um Dominick und die Zukunft.
    Zweimal war sie heute nachmittag zum Herzog ins Zimmer gegangen, um ihm zu sagen, daß sie die Adoptionspapiere gefunden hätte. Das würde ihn gewiß beruhigen. Beide Male hatte er so tief geschlafen, daß sie im ersten Moment furchtbar erschrocken gewesen war. Sie hatte befürchtet, daß er erneut das Bewußtsein verloren hätte oder tot wäre. Doch er hatte geatmet.
    Caldwell hatte erzählt, daß Rutherford gegen Mittag einmal kurz aufgewacht wäre.
    Nach Auskunft von Dr. Mansley brauchte er jetzt viel Schlaf, um wieder zu Kräften zu kommen.
    Anne hatte sich noch nicht für die Nacht umgezogen. Sie saß vor dem Kamin und rang die Hände. Der Arzt hatte auch Dominick untersucht. Ihr Herz zog sich zusammen bei dem Gedanken, wie man ihren Mann im Gefängnis behandelt hatte.
    Der Arzt hatte festgestellt, daß Dominick brutal geschlagen worden war.
    Eine Schulter war beinahe ausgerenkt. Sein Kinn färbte sich grün und blau, und seine Rippen waren geprellt. Zwei Zehen am linken Fuß waren gebrochen. Außerdem hatte er zahlreiche Blutergüsse von Schlägen mit einem schweren festen Gegenstand bekommen.
    Anne rieb ihre pochenden Schläfen. Es war ein entsetzlicher Zufall, daß Fairhaven ausgerechnet ermordet worden war, nachdem er die Wahrheit über Dominicks Herkunft aufgedeckt hatte. Sie wagte nicht darüber nachzudenken, wer ihn getötet haben könnte und weshalb.
    Plötzlich erstarrte sie, denn sie hörte leise Schritte auf dem Korridor. Sie klangen stockend und schwerfällig, und sie wußte sofort, wem sie gehörten. Dominick humpelte in ihre Richtung. Sie stand auf, und ihr Puls begann zu rasen. Rasch setzte sie sich wieder und preßte die Hand auf ihr Herz, um es zu beruhigen. Doch es gelang ihr nicht.
    Sie rührte sich nicht, als Dominick laut an ihre Tür klopfte.
    „Anne?"
    Ihr Atem beschleunigte sich. Was wollte er? Obwohl sie sich große Sorgen um ihn machte, hatte sie nicht erwartet, ihn vor morgen früh wiederzusehen. Schließlich mußte er erst einmal gründlich ausschlafen.

    „Komm herein!" rief Anne und hoffte, daß ihre Stimme einigermaßen normal klang.
    Dominick öffnete die Tür, und sie sah ihm in die topasfar-benen Augen. Er trug eine locker gegürtete Hausjacke mit Samtaufschlägen und eine schwarze Hose. Außer dem Verband an den Zehen waren seine Füße nackt.
    „Komm herein", wiederholte sie und senkte den Blick auf ihre verschlungenen Finger. Sie traute sich selber nicht. Das Bedürfnis, zu Dominick zu gehen und ihn zu trösten, überwältigte sie beinahe.
    Sein Blick glitt zu ihren Händen.
    Anne ließ die Arme sinken und verwünschte sich, weil sie ihre Nervosität nicht besser verbergen konnte. „Das ist ein unerwarteter Besuch", sagte sie und lächelte gequält.
    Dominick humpelte ins Zimmer und stieß die Tür mit der Ferse seines unverletzten Fußes zu.

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