010 - Skandal in Waverly Hall
aus und merkte, daß sie unmittelbar am Rand eines Abgrunds stand.
Dominick hielt keuchend inne.
Anne hob erstaunt den Kopf und sah ihn fest an. Eine Mischung aus wilder Lust und eiserner Beherrschung spiegelte sich in seinen Augen. Sein Gesicht war vor Entschlossenheit verzerrt. Die Sehnen und Muskeln an seinem Hals und seinen Schultern spannten sich. Mit einem kurzen Lächeln wollte er ihr Mut machen. Doch es war so intensiv, daß Anne beinahe Angst bekam.
Zentimeter für Zentimeter zog Dominick sich zurück und drang ebenso langsam wieder in sie ein. Anne keuchte atemlos. Er senkte den Kopf, strich mit der Zunge über ihre rosigen Knospen und begann von vorn.
Kurz darauf hielt Anne die süße Quälerei nicht mehr aus und erschauerte heftig.
Im selben Moment faßte Dominick ihre Hüften und drang rasch und kraftvoll tief in sie ein. Anne erschrak über seine Heftigkeit. Dominick hielt sich kein bißchen mehr zurück. Sie riß erschrocken die Augen auf und staunte über den gespannten Ausdruck in seinem Gesicht. Wie in einem Strudel kam sie sich vor und hatte längst den Halt verloren. Immer wieder rief Dominick ihren Namen. Für den Bruchteil einer Sekunde entdeckte sie etwas in seinem Blick, das der Vergangenheit trotzte. Es war gleichzeitig sanft und brutal, hartnäk-kig und verzweifelt: ungezügeltes Verlangen.
Plötzlich stöhnte Dominick laut. Er erschauerte heftig und sank erschöpft auf sie hinab.
Eine ganze Weile blieb er keuchend liegen. Anne schluckte trocken und hielt seinen schweißbedeckten Rücken unter dem Hausmantel weiter umschlungen. Ihr Verstand funktionierte wieder, und sie fürchtete sich vor der eigenen inneren Stimme. Doch die war nicht zu überhören.
Meine Güte, was habe ich getan? überlegte Anne entsetzt.
Endlich rutschte Dominick von ihr herunter und streckte seinen kraftvollen geschmeidigen Körper neben ihr aus. Anne rührte sich nicht. Sie wagte nicht einmal zu atmen.
Dominicks Augen waren geschlossen, und seine dichten Wimpern lagen wie ein Fächer auf seinen Wangen. Sein Atem wurde ruhiger. Unmittelbar bevor er einschlief, streckte er den Arm aus und faßte ihre Hand.
Anne wollte ihre Finger wegziehen, doch sie tat es nicht. Sie brauchte Dominicks Trost und seine Sicherheit jetzt mehr denn je.
Erst als er fest schlief, machte sie los, zog ihr Nachthemd zurecht und kletterte aus dem Bett. Aufmerksam betrachtete sie den geliebten Mann.
Der Mondschein fiel durch die offenen Fenster herein und spielte auf seinem Gesicht und seinem Körper. Dominick sah phantastisch aus. Sein Gesicht war so ebenmäßig, daß der Anblick ihr selbst nach all den Jahren noch den Atem raubte.
Sein muskulöser Körper war gestählt und wirkte wie gemeißelt. Er war ein unwiderstehlicher Mann.
Anne wandte sich ab und ging zu einem Sessel in der hinteren Zimmerecke. Sie nahm eine Mohairdecke, breitete sie über sich aus und rollte sich zusammen. Tränen brannten in ihren Augen. Was hatte sie getan?
Vielleicht war es unvermeidlich gewesen, daß sie ihre Ehe endlich auch körperlich vollzogen hatten. Aber was sollte jetzt werden?
Nichts hatte sich dadurch geändert. Sie traute ihrem Ehemann immer noch nicht. Sie konnte ihm nicht mit dem Herzen trauen. Es reichte schon, wenn sie ihm ihren Körper überließ.
9. KAPITEL
Rutherford trank eine Tasse schwarzen Tee und las in der gestrigen Ausgabe der „London Times", als Dominick das Frühstückszimmer betrat.
Es war einer der heitersten Räume in Waverly Hall. Zwei Wände waren mit honigfarbenem Eichenholz getäfelt. Eine leuchtend gelbe Tapete bedeckte die dritte Wand, und die vierte bestand ausschließlich aus Fenstern. Der Sonnenschein fiel ins Zimmer und beschien die blau-golden gemusterten Perserbrücken und die hellblauen Seiden vorhänge. Der Morgengesang der Vögel drang von draußen herein. Im Garten blühten Blumen in allen Regenbogenfarben.
Dominick ging zur Anrichte und füllte seinen Teller mit gebuttertem Toast, Eiern, Speck und Nierenpastete. Er war ziemlich schlecht gelaunt und wußte nicht, warum.
Der Anblick seines Großvaters verstärkte seine finstere Stimmung noch. Er hatte nicht die Absicht gehabt, Anne zu verführen. Obwohl die letzte Nacht außerordentlich befriedigend gewesen war, kam er sich wie ein brutaler Flegel vor.
Dominick setzte sich an den Tisch, und der Herzog legte seine Zeitung beiseite.
„Guten Morgen, mein Junge. Hast du gut geschlafen?" fragte er.
„Ja, erstaunlich gut", brummte Dominick.
Der
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