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010 - Skandal in Waverly Hall

010 - Skandal in Waverly Hall

Titel: 010 - Skandal in Waverly Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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er schlug nicht ihre Richtung ein, sondern durchquerte die Eingangshalle. Sie hörte Bennets und seine leise Stimme. Dann öffnete sich die Haustür und schloß sich wieder.
    Dominick war hinausgegangen.
    Ciarisse verlor keine Zeit. Rasch verließ sie den Salon und lief durch das Foyer. Sie eilte die Treppe hinauf und trat immer wieder auf ihre Röcke. Plötzlich merkte sie, daß sie sich wie eine Furie benahm, und zwang sich zu einem gemessenen Gang. Ihr Herz hämmerte noch stärker als vorher.
    So gelassen wie möglich betrat sie Dominicks Zimmer und stellte fest, daß sein Diener Verig nicht anwesend war. Erleichtert schloß sie die Tür und schob den Riegel vor.
    Sie blickte aufmerksam durch den Raum und entdeckte das dicke eingewickelte Päckchen sofort. Es lag auf dem Nachttisch. Welch ein Glück!

    Philips Tagebuch brannte in ihrer Hand. Ciarisse preßte das Päckchen die Brust und eilte zur Tür zurück. Behutsam entriegelte sie das Schloß, öffnete und spähte hinaus.
    Niemand war da, der ihr seltsames Benehmen beobachten konnte.
    Lautlos schlüpfte sie aus dem Zimmer ihres Sohnes und eilte den Korridor und die Stufen wieder hinab. Neugier mischte sich in ihre durch Angst und Entsetzen hervorgerufene Benommenheit.
    Was hatte Philip seinem Tagebuch anvertraut?
    Bei all seinen Reisen hatte er gewiß ein ereignisreiches, ganz und gar nicht normales Leben geführt. Vielleicht bestanden seine Aufzeichnungen nur aus ausführlichen Berichten über seine Aufenthalte in aller Welt.
    Aber Ciarisse bezweifelte es. Hatte er über sie geschrieben? Und wenn ja, was hatte er notiert? Die Wahrheit? Hatte er die Wahrheit überhaupt gekannt?
    Ciarisse holte tief Luft. Bis heute war sie nicht sicher, ob Philip tatsächlich Bescheid gewußt hatte. Sie vermutete es nur. Er hatte ihr seine Gefühle nie offenbart. Wäre er nicht rasend vor Zorn geworden, wenn er die Wahrheit gekannt hätte?
    Sie würde das Tagebuch nicht verbrennen, jedenfalls nicht sofort. Das brachte sie nicht fertig. Erst wollte sie es lesen und es anschließend vernichten - falls es sein mußte.
    Wenn die Wahrheit ans Licht kam, würde es die ganze Familie vernichten. Niemand würde den anschließenden Skandal überleben. Kein einziger.

10. KAPITEL
    Dominick hatte das Haus verlassen, nachdem das Testament seines Vaters verlesen worden war. Anne hatte ihn auf einem Reitpferd aus dem Stall von Waverly Hall davongaloppieren sehen. Er hatte nicht die Richtung zum Park mit den zahlreichen schönen Reitwegen eingeschlagen, sondern war zu den fernen Hügeln geritten. Sie konnte sich vorstellen, wie bestürzt er war.
    Ciarisse tat ihr furchtbar leid. Einmal wegen der mißlichen Lage, in der Dominicks Mutter sich jetzt befand, zum anderen auch wegen der Demütigung, die Philip ihr noch aus dem Grab zufügt hatte. Allerdings wunderte sie sich nicht über den Letzten Willen des Marquess. Sie hatte schon vor Jahren gespürt, daß es ein dunkles Geheimnis zwischen Philip und Ciarisse geben mußte.
    Für Dominick wollte Anne dagegen kein Mitleid empfinden. Doch sie war eine einfühlsame Frau, und ihr Mann hatte gerade seinen Vater verloren. Es würde nicht einfach sein, angesichts der erstaunlichen Bestimmungen in Philips Testament äußerlich unbeteiligt zu bleiben. Doch sie war entschlossen dazu.
    Anne saß in dem geräumigen Büro des Gutsverwalters, das sie vor eineinhalb Jahren übernommen hatte. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, und es fiel ihr furchtbar schwer, sich auf die Buchhaltung zu konzentrieren.

    Mit bebenden Fingern legte sie ihre Lesebrille beiseite. Dominick wollte mit ihr schlafen, um einen Erben zu zeugen. Der Mann war wirklich abscheulich! Es interessierte sie nicht, daß er das Recht auf einen Erben hatte und es ihre moralische Pflicht als seine Ehefrau war, ihm einen Sohn zu schenken.
    Wie hatte sie auch nur einen Moment alle Vorsicht beiseite schieben können?
    Dominick in ihr Bett zu lassen war das
    Dümmste gewesen, was sie in den letzten vier Jahren angestellt hatte. Sie traute ihm nicht - und sie hatte sofort den Beweis dafür bekommen, wie berechtigt ihr Mißtrauen war.
    Verzweifelt schlug Anne beide Hände vor das Gesicht. Kurz darauf hatte sie sich wieder in der Gewalt. Vielleicht wäre sie Dominicks Charme nicht erlegen, wenn der Brand in ihrem Zimmer sie nicht so verwirrt hätte. Sie begriff immer noch nicht, wie die beiden Kerzen hatten umfallen können. Hatte sie im Schlaf um sich geschlagen und die beiden Ständer umgestoßen?

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