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010 - Skandal in Waverly Hall

010 - Skandal in Waverly Hall

Titel: 010 - Skandal in Waverly Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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nicht leid. Ich habe noch eine Menge zu erledigen. Vielleicht solltest du jetzt lieber gehen."
    Felicity machte keine Anstalten, das Zimmer zu verlassen. „Du erstaunst mich immer wieder, Anne", sagte sie. „Erst spielst du das leichte Mädchen für Dominick, und anschließend spielst du auf Waverly Hall den Gutsherrn. Kein Wunder, daß er so schnell das Interesse an dir verloren hat."
    Anne richtete sich unwillkürlich auf. Felicitys Worte taten entsetzlich weh. Sie wußte, daß sie nicht im geringsten dem üblichen weiblichen Ideal entsprach.
    Blauäugige Blondinen mit vollen Rundungen wie ihre Cousine waren heiß begehrt, vor allem wenn sie gut flirten und Aquarelle malen konnten. Ihre eigenen Interessen an Büchern und Pferden galten dagegen als äußerst undamenhaft. Auch ihr Interesse an dem Landgut und ihre Fähigkeit, es ordentlich zu verwalten. Trotzdem war es eine Herausforderung, die sie sehr genoß. Diese Tätigkeit würde, ja konnte sie niemals wieder aufgeben.
    Andererseits hatte Felicity recht. Sie, Anne, war nicht nur klein, dunkel und unscheinbar. Sie war auch sehr unweiblich. Vielleicht war das der eigentliche Grund, weshalb Dominick sie gleich nach der Hochzeit wieder verlassen hatte.
    Und jetzt war er zurückgekehrt, um einen Erben zu zeugen.
    Anne senkte den Kopf, damit Felicity nicht sah, wie niedergeschlagen sie war.
    Andererseits sie war nicht bereit, sich in Selbstmitleid zu ergehen. Schließlich führte sie auch ohne den Mann, den sie einmal von ganzem Herzen geliebt hatte, ein sehr gutes Leben.
    Felicity lachte. „Du hast dich überhaupt nicht verändert, Anne. Du bist immer noch ein merkwürdig linkisches Mädchen."
    Anne wurde immer gereizter. Doch ihre Stimme blieb höflich und beherrscht. „Du hast dich dagegen sehr verändert,
    Felicity", antwortete sie kühl.
    „Ja, das stimmt. Ich bin inzwischen eine reiche Witwe und gelte als eine der größten Schönheiten der feinen Gesellschaft."
    Das entsprach gewiß der Wahrheit. „Ich weiß, daß du mir den Vorfall an jenem Abend im Garten und die Tatsache, daß ich Dominick geheiratet habe, nie verziehen hast. Mir ist auch klar, daß du zu engstirnig bist, um mir jemals zu vergeben, obwohl dein Leben außerordentlich erfolgreich verlaufen ist, wie du soeben selber festgestellt hast. Trotzdem wünschte ich, wir würden endlich Frieden schließen."
    Felicity zog die hellen Brauen in die Höhe. „Dir vergeben? Wie könnte ich dir nicht vergeben, liebe Anne? Ich habe einen reichen Mann geheiratet, während du den Erben eines Herzogtums geehelicht hast, der dich umgehend wieder verließ und damit aller Welt zu verstehen gab, daß er dich nur geheiratet hatte, weil ihm nichts anderes übrigblieb. Alle wissen, daß du ihn in den Garten gelockt und verführt hast, um ihn zur Ehe zu zwingen.
    Doch während die anderen dich für eine gerissene Amerikanerin halten, die einen Mann rücksichtslos verführt hat, kenne ich die eigentliche Wahrheit. Ich weiß, daß du von klein auf unsterblich in Dominick verliebt warst. Ich erinnere mich genau, wie verzweifelt du warst, als er mich zur Frau wählte und nicht dich. Und ich kann mir lebhaft vorstellen, wie vernichtet du warst, als er dich unmittelbar nach der Hochzeit wieder verließ. Ich frage mich, ob er überhaupt zurückgekehrt wäre, wenn er nicht von der Krankheit seines Vaters erfahren hätte." Felicity warf den Kopf zurück und lachte. „Ich empfinde nichts als Mitleid für dich, Anne. Du siehst, ich habe dir gar nichts zu verzeihen."

    Wie grausam Felicity war. Die Cousine war im Laufe der Jahre kein bißchen weicher geworden. Anne hätte am liebsten im selben Ton geantwortet. Doch sie wollte sich nicht auf einen erniedrigenden Streit einlassen. Wenn sie vor vier Jahren überlebt hatte, daß Dominick sie grausam verließ, würde sie jetzt auch mit Felicitys boshaften Sticheleien fertig werden.
    Deshalb holte sie tief Luft und erklärte: „Es wird Zeit für dich, zu gehen, Felicity."
    Die Cousine ließ sich nicht beirren. „Ich werde im Haus auf Dominick warten."
    „Er ist ausgeritten. Ich habe keine Ahnung, wann er zurückkehrt."
    Felicity lachte. „Es macht mir nichts aus, wenn es länger dauert, Anne. Ich habe Dominick mein Beileid ausgesprochen, aber ich habe ihn noch nicht getröstet. Auf diesen Augenblick warte ich schon sehr lange."
    Anne starrte die Frau in dem auffallend roten Kleid schweigend an. Endlich ging Felicity. Anne sank auf ihren Stuhl zurück und stützte sich schwer

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