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010 - Skandal in Waverly Hall

010 - Skandal in Waverly Hall

Titel: 010 - Skandal in Waverly Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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stimmte ganz entschieden nicht.
    Canfield wollte gehen und sah ihn erwartungsvoll an. Do-minicks Hand blieb trotz seiner inneren Erregung ruhig. Er verabschiedete den Anwalt, begleitete ihn aber nicht zur Tür, sondern blieb in der Bibliothek. Sein Großvater und seine Mutter verließen mit Canfield den Raum.
    Anne blieb bei ihm, und Dominick wünschte, sie würde ebenfalls gehen.
    „Ist alles in Ordnung, Dominick?" fragte sie.
    „Ja, mir fehlt nichts."
    „Es ist nur ein Tagebuch", sagte sie leise.
    Ihm war bisher nicht klar gewesen, wie klug und einfühlsam Anne war. Deshalb lächelte er gequält. „Ich freue mich schon auf die Lektüre", versicherte er ihr. In Wirklichkeit mußte er ständig an das Testament und dessen unverkennbar bissigen Ton denken.
    „Ich gehe jetzt lieber", sagte Anne. „Deine Mutter steht unter einem schweren Schock."
    „Das ist kein Wunder", antwortete Dominick erbost und ärgerte sich erneut über seinen Vater.
    An der Tür blieb sie noch einmal stehen. „Bist du sicher, daß es dir gutgeht, Dominick?"
    Er sah sie fest an. „Möchtest du ein Geständnis, Anne? Nein, es geht mir durchaus nicht gut. Mein verstorbener Vater hat meiner armen Mutter - und auch mir - soeben einen sehr bösen Schlag versetzt. Ich habe meinen Vater nie richtig gekannt.
    Für mich war er wie ein Fremder. Er liebte mich nicht, das habe ich immer gewußt.
    Ich bin sogar ziemlich sicher, daß er mich nicht einmal mochte. Trotzdem hat er mir sein Tagebuch hinterlassen. Weshalb?"
    Sie sahen sich einen Moment schweigend an. Dominicks Gesicht war gerötet, Annes sehr blaß. „Er hat dich bestimmt geliebt, Dominick ..." begann sie.
    Er hob die Hand und winkte ab. „Du irrst dich." Entschlossen nahm er das Tagebuch auf. „Auf jeden Fall werde ich es bald erfahren, nicht wahr?"
    Anne rührte sich nicht. Er hatte den Eindruck, daß sie noch etwas sagen wollte.
    Dann nickte sie stumm und verließ die Bibliothek.
    Dominick starrte auf das Tagebuch in seiner Hand. Was wollte Philip ihn wissen lassen? Was immer es war, er würde es ertragen. Energisch verdrängte er die innere Stimme, die ihm dringend riet, die Aufzeichnungen nicht zu lesen. Sein Vater war tot und wollte aus dem Grab noch einmal zu ihm sprechen. Er durfte sich dieser seltsamen Aufforderung nicht entziehen.
    Ciarisse stand wie angewurzelt vor der Bibliothek und preßte den Rücken an die rot-gold gestreifte Tapete. Sie konnte nicht fassen, was sie gerade erfahren hatte. Die achtzigtausend Pfund waren ihr restlos gleichgültig. Sie wollte keinen Penny von dem Geld, weder jetzt noch später.
    Schweißperlen bildeten sich an ihren Schläfen und in ihrem Nacken.
    Ihr Mann hatte Tagebuch geführt!
    Was mochte Philip durch den Kopf gegangen sein? Und was hatte er davon den Seiten seines Tagebuches anvertraut? Dieser Narr!
    Ciarisse holte tief Luft und seufzte schwer. Plötzlich wurde ihr klar, wie seltsam es auf einen Diener wirken mußte, wenn er sie dabei ertappte, daß sie ihrem Sohn auf dem Korridor nachspionierte. Entschlossen löste sie sich von der Wand, ging in die Halle und blieb mit ängstlicher Miene in der Mitte stehen.
    Weshalb war Rutherford nicht eingeschritten, als Canfield Dominick das Tagebuch übergab? Hatte der alte Mann endgültig den Verstand verloren? War er tatsächlich senil geworden? Was sollte werden, v/enn die Seiten etwas Belastendes über sie enthielten?
    Dominick durfte das Tagebuch nicht lesen. Niemand durfte es in die Hände bekommen.
    Ciarisse hob ihre Röcke aus schwerer französischer Seide an, durchquerte die Halle und betrat einen leeren Salon, dessen Tür sie einen Spalt breit offen ließ. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis ihr Sohn endlich die Bibliothek verließ und das Foyer durchquerte - Philips Tagebuch in der Hand. Vor Entsetzen wurde ihr beinahe übel.
    Sie sah zu, wie Dominick die Treppe hinaufstieg. Zweifellos wollte er das Tagebuch in sein Zimmer bringen. Sie mußte sich unbedingt etwas einfallen lassen, wie sie es zurückholen konnte, bevor er mit der Lektüre begann.
    Ciarisse blieb wie angewurzelt an der Salontür stehen. Ihr Herz pochte so heftig, daß es schmerzte. Die Minuten krochen unendlich langsam dahin. Was tat Dominick in diesem Moment? Blätterte er schon in dem Tagebuch? Dieser verdammte Philip!
    Und dieser verdammte Rutherford!
    Dominick stieg die Treppe wieder hinab, und Ciarisse atmete erleichtert auf. Sie drückte sich an die Wand, damit er sie nicht sah, falls er den Salon betrat. Doch

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