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010 - Skandal in Waverly Hall

010 - Skandal in Waverly Hall

Titel: 010 - Skandal in Waverly Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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und sich an ihm zu rächen.
    Sie würde diesem Mann niemals verzeihen.
    Anne hatte den Arm immer noch stützend um Rutherford gelegt. Deshalb spürte sie sofort, daß der Herzog seinen ehrlosen Enkel ebenfalls entdeckt hatte. Er straffte sich unmerklich. Erst jetzt stellte sie fest, daß Dominick eine Jagdjackett aus Tweed, Reithosen und verdreckte Schaftstiefel trug. Erstaunt riß sie die Augen auf. Scherte dieser Mann sich weiterhin nicht einen Deut um die Etikette? Nicht einmal auf der Beerdigung seines eigenen Vaters?
    „Er muß unbedingt zur Vernunft kommen, Anne", sagte Rutherford plötzlich. Es klang, als übertrüge er ihr die unlösbare Aufgabe, seinen Enkel zur Räson zu bringen.
    Annes Wangen röteten sich schon bei dem Gedanken daran. „Er sollte ausgepeitscht werden", antwortete sie kühl. Ihr Zittern nahm zu, und sie bebte am ganzen Körper.
    „Wie kann er es wagen, in diesem Aufzug hier zu erscheinen? Ob er vorhat, anschließend auf eine Fuchsjagd zu gehen?"
    Der Herzog drückte ihr kurz die Hand. „Im Pferdestall sind eine Menge Peitschen. Such dir eine aus. Wenn du möchtest, helfe ich dir dabei."
    Doch seine Stimme verriet die Zuneigung, die er für seinen einzigen Enkel empfand.
    Anne blieb ernst, obwohl sie einen Anflug von Befriedigung bei der Vorstellung empfand, Dominick wie ein ungehorsames Kind zu bestrafen. Instinktiv ließ sie Rutherford los und legte die Arme fest um sich.

    Dominick war zurückgekommen. Er wollte doch wohl nicht bleiben?
    Vor vier Jahren hatte er sie ohne ein einziges Abschiedswort verlassen. Kalt, sorglos und gleichgültig. Seitdem war er nicht mehr nach Hause zurückgekehrt, kein einziges Mal. Er hatte ihr auch keine Nachricht geschickt, nicht einmal eine Entschuldigung, was sie zumindest erwartet hatte, und wenn die Worte noch so unaufrichtig gewesen wären.
    Falls er bleiben wollte, stand ihr ein harter Kampf bevor, das war ihr klar.
    Verärgert warf sie einen weiteren Blick zu Felicity hinüber und stellte erschrocken fest, daß die Cousine sie beobachtete. Felicity wandte sich sofort ab. Doch Anne hatte die freudige Erwartung und den spekulierenden Ausdruck in ihrem Gesicht längst bemerkt.
    Sie konnte kaum noch an sich halten. Dominicks Rückkehr war schon ärgerlich genug. Jetzt kam noch hinzu, daß Felicity eindeutig hoffte, dort mit ihrem Exverlobten weitermachen zu können, wo die beiden vor vier Jahren aufgehört hatten. Sie atmete schwerer und beobachtete, wie die letzten Schaufeln Erde in das Grab geworfen wurden.
    Die Trauergemeinde zerstreute sich langsam. Die Damen und Herren kehrten zu ihren wartenden Kutschen zurück. Einige wenige Männer blieben stehen und sprachen ein paar Worte mit dem Herzog. Manche Blicke gingen zu Anne und anschließend zu Dominick. der immer noch auf der Anhöhe stand.
    Anne ahnte, daß man über sie tuschelte. Sie konnte keine Sekunde länger bleiben.
    Ihre Lage wurde immer unerträglicher - ja, unmöglich. Entschlossen raffte sie ihre Röcke, eilte zu ihrer eigenen zweisitzigen Kutsche und stieg rasch ein. Sie ergriff die Zügel und riß heftig daran.
    Die kastanienbraune Stute fiel sofort in einen flotten Trab. Anne warf einen verstohlenen Blick über die Schulter, und ihre Furcht nahm zu. Die schwarzlackierte Kutsche mit dem
    silbernen Wappen der Lyons war nicht mehr da.
    Anne beugte sich vor. Sie schlug erneut mit den Zügeln und drängte die Stute zu einer schnelleren Gangart. Das Pferd fiel in einen leichten Galopp, und die Chaise rumpelte die schmutzige Straße entlang. Sie erreichten die Allee, und dann tauchte Waverly Hall vor ihnen auf. Das eindrucksvolle georgianische Backsteingebäude mit seinen sechs Säulen, die einen großen Ziergiebel stützten, lag zwischen stattlichen alten Eichen. Einige Equipagen und Broughams standen in der halbkreisförmigen Einfahrt des großen Herrenhauses. Die schwarze Karosse der Lyons war nicht darunter.
    Ein Stallknecht eilte herbei und ergriff das Zaumzeug der Stute.
    Anne sprang aus der Kutsche und eilte unter den erstaunten Blicken der Trauergäste die Vordertreppe hinauf. Mit gerafften Röcken lief sie an ihnen vorüber, so daß ihre weißen Strümpfe und die schwarzen Lederschuhe zu sehen waren. Der Butler kam ihr entgegen, als sie die große Eingangshalle betrat.
    „Bennet", rief sie. „Lyons ist hier. Lassen Sie ihn ja nicht ins Haus!"

    Bennet wurde kreideweiß. „Ah - wie bitte, Mylady?"
    Annes Gesicht rötete sich vor Zorn, und sie wiederholte so deutlich wie

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