0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte
Ich war Wirklichkeit.
»Guten Morgen, Nelly«, sagte ich.
»Raus!« zischte sie.
»Nelly, gestern ist mir eine dumme Sache dazwischen gekommen.«
»Geschäftlich, wie?«
»Ja, geschäftlich, natürlich. Weiß du, ich…«
»Mach, daß du ’raus kommst. Ich fliege, wenn Miss Peper merkt, daß du ein privater Besuch bist.«
»Gut, ich gehe, aber erst müssen wir uns neu verabreden.«
Nelly wechselte schlagartig den Tonfall.
»Also, Sie wünschen ein Parfüm als Geschenk.«
»Nein«, sagte ich erstaunt.
»Doch«, flüsterte sie scharf. »Miss Peper!«
Ich warf einen Blick nach hinten. In der äußersten Ecke des Geschäftes stand eine sehr magere, sehr strenge Dame und musterte mich höchst kritisch.
»Ja, ja«, stotterte ich. »Eine Geschenkpackung.«
Nellys Hände zauberten Flaschen und Fläschchen in den absonderlichsten Formen und Packungen auf den Tisch.
»Dieses hier ist ›Etoile de nuit‹«, flötete Nelly. »Ein schweres Parfüm, sehr geeignet für rothaarige oder dunkle Damen. Wollen Sie, bitte, einmal riechen.« Ich bekam einen Tupfer ab.
»Beachten Sie die Süße der Duftnote«, pries Nelly den Geruch. »Natürlich entfaltet sich der Duft auf der Haut einer Dame ganz anders als bei Ihnen«, setzte sie spitz hinzu und griff zur nächsten Flasche.
»Hier habe ich etwas Besonderes. Ein Chanel-Parfüm, garantiert Paris. Sehr geeignet für den herberen Frauentyp. Es ist…«
Innerhalb der nächsten halben Stunde führte Nelly mir ein rundes Dutzend Parfüms vor, ließ mich an den Fläschchen riechen, betupfte mich an allen möglichen Stellen, bis ich schließlich halb chloroformiert war, und diese Chloroformierung erreichte ihren Höhepunkt, als Nelly flötete:
»Dieses Parfüm heißt ›Mon Cherie‹. Ich benutze es selbst. Wenn Sie sich von der Frische des Duftes überzeugen wollen, bitte!« Sie beugte sich über den Ladentisch, um mich an ihrem Ohrläppchen riechen zu lassen. Ich roch und war einer sanften und sehr angenehmen Ohnmacht nahe.
»Ich nehme es«, hauchte ich.
»Vierunddreißig Dollar«, sagte Nelly grausam. »Ich packe es ein.«
Die strenge Miss Peper nahm mir die vierunddreißig Dollar ab. Drei Minuten später stand ich, ohne Verabredung, aber mit einem zarten, vierunddreißig Dollar schweren Päckchen auf der Straße. Ich wankte zum nächsten Taxistand.
»FBI-Hauptquartier«, sagte ich und ließ mich in die Polster sinken.
***
»Warum so spät?« fragte Phil. Dann schnüffelte er hörbar.
»Wie riechst du?« fragte er mißtrauisch.
»Zuviel Rasierwasser genommen«, knurrte ich.
»Verdammt weibische Sorte, die du benutzt«, antwortete er. »Du riechst wie eine ganze Girltruppe. Sei vorsichtig. Solch einen süßen G-man nimmt kein Gangster mehr ernst.«
»Hör schon auf! Was gibt es Neues?«
»Deine Freunde sind alle im Laufe der Nacht hier abgeliefert worden. Willst du sie sehen?«
»Klar! Rein mit ihnen, und zwar der Reihe nach.«
Ich hatte noch in der Nacht veranlaßt, daß vor den Wohnungen von Hiltons Gorillas Polizeiposten aufgestellt wurden, mit dem Befehl, die Burschen zu verhaften, sobald sie auftauchten. Sie waren aufgetaucht und verhaftet worden.
Die Reihe begann mit Pen Freeman. Ich wollte von ihm wissen, wo er hingegangen war, als ich die Bar verlassen hatte.
»Morgan schickte uns fort«, antwortete er brummig, »und wir gingen in ’ne Kneipe in der 138. Straße. Haben dort ein paar Runden Poker gespielt.«
»Alle vier?«
»Yes, alle vier.«
Genau die gleiche Aussage erhielt ich von Razzoni, Stannow und Dexter. Sie lieferten sich gegenseitig ein hieb- und stichfestes Alibi, und es stand bereits jetzt fest, daß der Wirt jener Kneipe und sicherlich noch ein paar Gäste das Alibi beschwören würden. Was sollten sie sonst tun, wenn sie nicht sterben oder bestenfalls im Krankenhaus landen wollten? Und das alles bewies durchaus nicht, daß nicht doch Hiltons Leibgardisten auf jenem Lastwagen gesessen hatten, der mich auf die Hörner nahm.
»Übrigens ist dei Lastwagen gefunden worden«, sagte Phil, als ich Dexter nach seiner Aussage wieder hatte abführen lassen.
»Stand nicht weit von der Unfallstelle in einer Nebenstraße. Er war natürlich gestohlen worden.«
»Wann?«
»Gestern gegen elf Uhr nachts.«
»Um diese Zeit sprach ich schon mit Hilton.«
»Das beweist wenig. Willst du die Gorillas noch länger festhalten?«
»Du weißt, daß es nicht geht. Zur Vorsicht werden wir noch jenen Wirt in der 138. Straße anhören, aber wenn auch er das
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