0103 - Ich - der Mörder Jerry Cotton
wo man sie leicht übersehen kann. Aber diesmal werden wir nichts übersehen, Chef, nichts, das verspreche ich!«
Er drehte sich rasch zur Tür und verließ das Zimmer schnellen Schrittes. Ich atmete auf und lehnte mich in meinen Sessel zurück. Jetzt war die Sache in guten Händen. Sicherlich war es so, wie Phil schon gesagt hatte: die Waffe mußte weiter fortgewirbelt worden sein, als wir zunächst angenommen hatten. Vielleicht war sie sogar bis in den Nachbarhof geflogen. Nun, Phil, mein alter Freund Phil würde das mit den Kollegen schon machen.
Es war ja einfach lächerlich, mich das Mordes zu bezichtigen! Befreit von einem Teil des Druckes, der auf mir lastete, steckte ich mir eine Zigarette an, als Mister High sagte:
»Jerry, Sie wissen ja selbst, was geschieht, wenn jemand unter Mordverdacht steht. Es tut mir leid, aber wir dürfen diesem Forest keine Möglichkeit geben, etwa den ganzen FBI anzugreifen. Bei einer solchen Sache muß der unter Mordverdacht stehende verhaftet werden, auch wenn weder Verdunkelungsgefahr noch Fluchtverdacht bestünde. Natürlich sperren wir Sie nicht ein, das wäre ja npch schöner! Ich bitte Sie, im Haus zu bleiben. Vielleicht schlafen Sie im Bereitschaftsraum, dort stehen ja genug Feldbetten herum.« Ich blies den Rauch aus und schüttelte den Kopf dabei.
»No, Chef«, sagte ich dabei. »Für mich soll unter gar keinen Umständen eine Sonderbehandlung eingeführt werden. Wenn es irgendwie herauskäme — und diese Gefahr besteht bei den vielen Leuten, die hier im Districtsgebäude verkehren — würde Forest hohnlächelnd den ganzen New Yorker FBI angreifen! Ich will in eine Zelle gesperrt werden. Phil wird ja die Pistole finden, die Fingerabdrücke der Rossly müssen daran sein, und dann ist der Verdacht gegen mich erledigt. Solange kann ich es in einer Zelle wohl aushalten. Nebenbei gesagt: ich werde in der Zelle wenigstens mal Ruhe zum Ausschlafen haben. Sonst kommt man als G-man ja doch nur selten zu seinem Schlaf.«
Die beiden Kollegen lachten, Auch Mister High lächelte und gab mir die Hand.
»Okay, Jerry. Sie haben recht. Eine hundertprozentig saubere Abwicklung der Sache ist auf jeden Fall besser. Ich möchte aber, daß Sie sich auch in Ihrer Zelle absolut darüber im klaren sind, Jerry, daß der ganze FBI New York geschlossen hinter ihnen steht. Wenn das ganze wirklich eine abgekartete Sache sein sollte — und so sieht es ja fast aus —, dann verlassen Sie sich darauf, daß wir diesen sauberen Plan durchlöchern und zerfetzen werden! Wir lassen Sie nicht im Stich!«
Sein Blick lag in meinem. Unsere Hände drückten einander, kurz und fest, wie es unter Männern üblich ist.
Dann drehte ich mich um und ging selbst hinab in unseren Zellentrakt. Die einzige Vergünstigung, die ich genoß, war, daß ich mir den Schlafanzug aus dem Bereitschaftsraum mitbringen und meine persönlichen Besitztümer auch in der Zelle behalten durfte. Aber das wird ja schließlich jedem Untersuchungsgefangenen zugestanden.
Zum erstenmal in meinem Leben saß ich in einer Zelle unter dem vorgebrachten Verdacht des Mordes. Nur war die ganze Geschichte diesmal nicht eine von uns selbst erfundene Finte, sondern man warf mir tatsächlich einen Mord vor…
Das Gitter vom Fenster malte einen kreuzförmigen Schatten auf den Fußboden meiner Zelle. Ich streckte mich aus und starrte zur Decke.
Und ganz tief innen, irgendwo an einer sehr heimlichen Stelle keimte die bange Frage:
Was wird werden, wenn Phil die Pistole der Rossly nicht findet…?
***
Ich hatte tief und traumlos geschlafen, denn ein G-man ist daran gewöhnt, zu jeder Zeit schlafen zu können. Schon allein, weil man selten genug bei uns ausreichend Zeit zum Schlafen findet.
Geweckt wurde ich von einem Kollegen, der den Zellendienst versah. Er kam herein und rief:
»He, Jerry! Aufwachen! Jerry!«
Ich rieb mir die Augen, brauchte eine Sekunde, um mich mit meiner Umgebung zurechtzufinden, und richtete mich auf.
»Hallo, Ben!« Ich gähnte verschlagen. »Was machst du für einen Krach? Kannst du mich nicht ein paar Stunden schlafen lassen?«
Ben Worrester grinste, setzte sich neben mich auf die Pritsche und sagte:
»Da! Lies mal diese sogenannte Zeitung!«
Er reichte mir die Morgenausgabe eines Boulevardblattes, das mehr als berüchtigt war. Ich rümpfte die Nase und brummte:
»Seit wann nimmst du dieses Dreckblatt überhaupt in die Finger?«
»Eigentlich nie! Aber die Redaktion dieses Schmierblattes war so freundlich,
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