0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett
plötzlich war ich matt.
»Nichts zu machen. Ich habe heute keinen Kopf«, knurrte ich unzufrieden mit mir selbst.
»Probieren wir es noch einmal«, schlug mein Freund vor, und so tat ich ihm den Gefallen.
Jetzt ging es schon besser. Wenn ich auch noch lange nicht in Form war. Ich wurde in die Verteidigung gedrängt, ließ mich aber nicht fassen. Mit der Zeit bekamen wir beide heiße Köpfe. Die Zeit verging im Fluge. Die Whiskyflasche war schon halb geleert. Gegen elf war es dann doch fast soweit. Ich sah das verräterische Zucken um Phils Mundwinkel und wusste, dass er einen entscheidenden Zug plante.
Der Fernsprecher klingelte. Ich erschrak und fuhr so heftig hoch, dass der Tisch ins Wanken geriet und die Figuren durcheinander fielen.
»Kannst du nicht aufpassen? Jetzt hätte ich dich fast gehabt«, schimpfte Phil, während ich den Hörer von der Gabel nahm.
»Cotton«, meldete ich mich und merkte mit Erstaunen, dass meine Stimme heiser war.
»Hier spricht ein Freund, einer der Ihnen helfen möchte, Rovellis Mörder zu fassen«, klang es durch den Draht. »Kommen Sie in einer Stunde, also genau um 12 Uhr nach South Ferry Station, da wo die Fähre nach Staten Island anlegt. Sie wissen ja wohl, wo da ist. Kommen Sie zu Fuß. Ein Wagen würde auffallen, und kommen Sie allein. Anderenfalls werden Sie mich nicht zu sehen bekommen.«
Damit war die-Verbindung auch wieder unterbrochen.
»Eine Falle«, behauptete Phil, nachdem ich ihm wiederholt hatte, was der Anrufer verlangte.
»Wenn du Lust hast, in den Asphalt zu beißen, dann geh ruhig hin. Die Absicht ist doch sonnenklar.«
»Gerade deshalb möchte ich hingehen. Wir müssen jede Gelegenheit wahrnehmen, mit dem Bursche in Kontakt zu kommen, so oder so. Entweder der Anrufer meinte es ehrlich, dann hätten wir vielleicht die ausschlaggebende Chance versäumt, oder es ist das, was du sagst, dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass er gefasst wird.«
»Vergiss nicht, Jerry, du sollst zu Fuß kommen und allein.«
»Das stimmt, aber kein Mensch hat etwas von dir gesagt. Du bestellst dir sofort einen Streifenwagen an die City Hall (das Rathaus). Bis dahin fährst du mit mir und steigst dort aus. Ich nehme die Subway und steige an Wallstreet aus. Dann gehe ich über den Broadway die acht Blocks bis zur Fähre. Wer zuerst an der Wallstreet ist, wartet. Du folgst mir mit gelöschten Lampen, so dass du sofort zur Stelle bist, wenn ich in Druck komme.«
Phil versuchte mir die Idee auszureden, aber ich hatte mich darin verrannt.
»Mach was du willst, aber gib mir keine Schuld, wenn es schief geht«, meinte er.
Wenn es schief geht, werde ich dir bestimmt keine Schuld mehr geben können, grinste ich, aber es war mir gar nicht zum Lachen zumute.
Ich war mir der Tatsache bewusst, dass ich jetzt genau in der Situation war, mit der ich am Nachmittag gespielt hatte. Ich war im Begriff, Kopf und Kragen zu riskieren, und wusste nicht einmal, ob es sich lohnte.
Bevor wir gingen, lud ich meine Smith & Wesson durch und steckte drei Reservemagazine in die Jackentasche. An der City Hall wartete der Streifenwagen.
»Sei vorsichtig«, mahnte Phil und schlug mir auf die Schulter.
Einer der Boys stieg aus und setzte sich in meinen Jaguar. Ich ging die Treppen zur U-Bahn hinunter und wartete, bis der Express mit Bestimmung Brooklyn einlief. Die übernächste Station war mein Ziel.
Vor dem Ausgang hielt der Streifenwagen. Ich sah mich nicht danach um, bog links in Richtung Broadway und dann wieder links ein. Diese Gegend ist tagsüber die belebteste der ganzen Stadt. Jetzt waren die Straßen tiefe, dunkle und einsame Schluchten ohne jeden-Verkehr. Meine Schritte hallten dumpf auf dem Pflaster. Unerreichbar hoch leuchteten ein paar einsame Sterne.
Undeutlich stach der spitze Turm der Trinity Kirche empor. Daneben lag der Friedhof, aber auch er war nicht stiller und nicht dunkler als dieser ganze verlassene Stadtteil.
Von dem Wagen war nichts zu sehen. Die Finsternis hatte ihn geschluckt. Noch drei Blocks. Dann war ich am Ziel. Vor mir lag die winzige Grünfläche von Bowling Garden. An der Ecke strahlte das Licht einer Lampe. Ich ging darauf zu.
Ein Knattern, Zischen und das Klack Klack aufprallender Geschosse, das Singen von Querschlägern zerhackte die Stille.
Ich machte einen mächtigen Satz, um aus dem Schein der Lampe zu kommen. Es gelang mir, aber ich rutschte und fiel. Hunderttausend Sterne zuckten vor meinen Augen.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Rücksitz
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