Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0105 - Die Bestie von Soho

0105 - Die Bestie von Soho

Titel: 0105 - Die Bestie von Soho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
mich.
    Plötzlich war ich ganz ruhig. Selbst das heftige Herzpochen war abgeflacht. Wie immer vor entscheidenden Situationen nahm ich all meine Nerven zusammen. Es mußte klappen, es durfte nichts schiefgehen. Nur einmal noch mußte ich mich auf die Rollen verlassen.
    Danach konnten sie meinetwegen ineinander fallen, das machte mir überhaupt nichts. Tief Luft geholt. Langsames Zählen. »Eins, zwei, drei…« Bei vier stieß ich mich ab. Ich drückte meinen Körper erst in die Drähte hinein, spürte dabei, wie der Anzugstoff zerschnitten und auch Haut in Mitleidenschaft gezogen wurde, gab mir den nötigen Schwung und stieß mich ab. Es gelang.
    Ich kam weg von diesen verdammten Drahtrollen, streckte im Sprung meine Arme aus, riß sie mir dabei fast aus dem Schultergelenk – und knallte mit den Händen gegen die Sprossen.
    Hart griff ich zu. Meine Finger krallten sich um die Sprosse und ließen nicht mehr los.
    Unter mir gerieten die Rollen ins Wanken. Sie waren wie eine einzige Woge, sie klirrten gegeneinander, die Ordnung brach zusammen, die einzelnen Rollen verkrallten sich ineinander und wurden zu einem wirren Knäuel.
    Ich riß die Beine an meinen Körper heran, prallte mit den Schuhspitzen gegen das Mauerwerk zwischen zwei Sprossen und kletterte sofort höher.
    Automatisch zog ich die Beine nach. Das rechte hakte. Verdammt auch. Ich blieb ruhig stehen, nahm die kleine Lampe, leuchtete nach unten und sah die Bescherung.
    Mit der Fußspitze war ich in einer Drahtrolle hängengeblieben.
    Und die zog ich hinterher, auch als ich nach oben stieg. Sie vorher abzuschütteln, wäre zu riskant gewesen. Ziemlich erschöpft, aber auch glücklich kletterte ich über den Rand der Grube und befand mich nun endgültig in Sicherheit.
    Die Drahtrolle konnte ich nun abschütteln. Sie verschwand in der Grube und fiel zwischen den Wirrwarr der anderen Rollen. Dabei zitterten und sangen alle nach.
    Mit dem Handrücken wischte ich mir den Schweiß von der Stirn.
    Beine und Arme zitterten. Ich ließ mich kurzerhand zu Boden sinken und wartete ab, bis sich meine Nerven wieder beruhigt hatten.
    Es dauerte nicht lange. Das Leben hatte mich so geprägt, daß ich hart im Nehmen geworden war.
    Doch die ganze Aktion war nicht ohne Verletzungen über die Bühne gegangen.
    Ich untersuchte mich.
    An den Hosenbeinen war der Anzugstoff wie mit scharfen Messern eingeschnitten. Ich blutete an der rechten Wade und auch in Höhe beider Knie. Doch die Wunden waren nicht schlimm. Nur kleine Kerben im Fleisch. Nichts, was tiefer ging.
    Der Rückweg war kein Problem. Ich brauchte nur in umgekehrter Folge zu gehen, schritt den Gang entlang und blieb vor der Tür stehen.
    Ich war gespannt darauf, welche Gesichter die Kerle machen würden, wenn sie mich sahen.
    Meine Hand berührte die Klinke. Ich drückte sie nach unten und wollte die Tür mit einem Ruck aufstoßen. Sie war verschlossen!
    ***
    »Das darf doch nicht wahr sein!« flüsterte Glenda Perkins. »Das Bild ist verschwunden!«
    »Du bist dir ganz sicher, daß du damit die Bestie von Soho gemeint hast?« fragte Suko.
    »Ja.« Glenda deutete auf die Wand. »Hier, genau hier hat es gehangen«, erklärte sie und trat einen Schritt vor, wobei sie die Augen etwas zusammenkniff. »Wenn du genau hinschaust, kannst du sogar noch den Abdruck sehen.«
    »Auf der Leinwand?«
    »Ja.«
    Jetzt war auch Suko neugierig geworden, und er sah, daß Glenda recht gehabt hatte.
    Der Chinese ging wieder zurück. Nachdenklich knetete er sein Kinn. »Wie ist so etwas möglich«, murmelte er. »Da ist das Motiv praktisch von der Leinwand entfernt worden, aber nicht durch radieren, sondern es sieht ganz so aus, als wäre diese Bestie aus dem Rahmen gestiegen.«
    »Vielleicht ist sie das«, flüsterte Glenda.
    Suko nickte versonnen. »Schon möglich. In unserem Geschäft erlebt man Dinge, über die man mit anderen gar nicht zu sprechen wagt.«
    »Übrigens – andere«, sagte Glenda. »Ich glaube, die meisten haben die Ausstellung verlassen.«
    Suko drehte sich um.
    In der Tat. Er und Glenda befanden sich allein in dem kleinen Ausstellungsraum.
    »Seltsam, nicht?«
    Suko hob die Schultern. »Mal sehen, wie es in dem großen Raum aussieht.«
    Sie schritten nebeneinander wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück.
    Fast alle Besucher hatten die Ausstellung verlassen. Weiter vorn schloß ein Kuttenträger die große Glastür ab.
    »Das paßt mir überhaupt nicht«, sagte Suko leise.
    Glenda zählte inzwischen die Zurückgebliebenen.

Weitere Kostenlose Bücher