0105 - Die Bestie von Soho
Überleben.
»Halte aus!« schrie ich ihm zu und sah einen der beiden Schlangenköpfe dicht vor mir.
Die Zunge wischte mir entgegen. Unruhig bewegte sich der Kopf hin und her.
Mit der linken Hand griff ich zu, bekam den Kopf an seinem Ende zu fassen, drückte zu und schob mit der anderen Hand den Lauf der Beretta in das Maul hinein.
Ich schoß.
Die Kugel jagte in das Maul, und das geweihte Silber entfaltete all seine Kraft.
Eine zweite Kugel brauchte ich nicht zu vergeuden. Die Schlange verdörrte vor meinen Augen und rutschte von Sukos Körper ab.
Mein Partner schnappte verzweifelt nach Luft. »Danke!« keuchte er, »das war im letzten Augenblick.«
Ich schaute ihn an. »Kannst du noch?«
Er lachte trocken. »Was heißt hier können? Ich muß.«
Ich klopfte ihm auf die Schultern. Suko war ein unverwüstlicher Knabe. Er betastete seine Rippen und nickte zufrieden. »Gebrochen ist nichts. Also weiter.«
Im Augenblick sahen wir uns keinen weiteren Angriffen gegenüber. Die Monster hatten sich zurückgezogen. Ich sah jedenfalls keine mehr. Vielleicht verdeckte sie der aus den Bildern quellende Rauch. Vielleicht waren wir ihnen auch zu stark.
Nicht alle gemalten Monster waren aus den Bildern geklettert.
Die meisten trauten sich wohl nicht, oder die Magie des Golo Gulerian hatte nicht voll gewirkt.
Es war ruhig geworden.
Auch die Kuttenträger attackierten uns nicht mehr. Diejenigen, die nicht am Boden lagen, hatten sich um ihren Herrn und Meister geschart.
Er lebte noch.
Ich war sicher, daß wir ihn auch schafften.
Suko hatte meine Gedanken erraten. »Wie willst du Golo Gulerian erledigen?«
»Ich habe nur mein Kreuz.«
»Und ich die Peitsche. Beides zusammen müßte reichen. Zudem ist noch meine Beretta in deinem Besitz.«
»Willst du sie zurückhaben?«
»Nein, behalte sie.« Suko schaute sich um und runzelte plötzlich die Stirn.
»Was hast du?«
»Verdammt, ich sehe Glenda nirgendwo.«
Der Satz schreckte mich auf.
»Glenda!« rief ich und lief ein paar Schritte zur Seite.
Dann sah ich sie.
Und ich hörte das grausame Lachen. Es schien von der Decke auf uns niederzufallen. Ich hob wie Suko den Kopf, schaute nach oben und sah Glenda Perkins.
Golo Gulerian hatte sie sich als Geisel genommen!
***
Vorwürfe?
Natürlich machte ich mir welche, aber zu ändern war nichts mehr. Golo Gulerian hatte die Gelegenheit eiskalt ausgenützt, als ich Suko aus der Umklammerung der Schlange rettete.
Neben mir knirschte der Chinese vor Wut mit den Zähnen. »So lange ist alles gutgegangen!« zischte er. »Sie haben Glenda und mich nicht bekommen. Ausgerechnet jetzt, wo wir auf der Siegerstraße waren, ist es vorbei.«
Das Lachen brach ab.
Golo Gulerian streckte seinen Arm noch höher. Er hielt die dunkelhaarige Glenda wie eine Puppe zwischen den Fingern. Durch seine Größe war ihm das durchaus möglich. Er konnte so fest zugreifen, daß Glenda nicht die Spur einer Chance bekam, aus seiner Klaue zu entwischen.
Er hielt sie hinten am Nacken gepackt, und das Girl schwebte über dem Boden.
»Ist sie nicht nett?« höhnte die Bestie von Soho. »Viel zu schön, um zu sterben. Ich werde sie auch nicht töten, John Sinclair. Ich nehme sie mit in die Hölle und mache sie dem Satan zum Geschenk.«
Mir lief bei diesen seinen Worten ein Schauer über den Rücken.
An dem Wahrheitsgehalt dieser Drohung zweifelte ich nicht eine Sekunde. »Wie gefällt dir das, Sinclair?«
»Gar nicht«, erwiderte ich. »Gib sie frei! Du kannst mich dem Satan übergeben.«
»Das würde dir so passen, wie?« höhnte er. »Obwohl mich dein Vorschlag reizt, möchte ich sagen, daß du im Moment zu gefährlich bist. Du bist auch aus der Grube entkommen, womit ich niemals gerechnet hätte. Das allein zeigt mir schon deine Gefährlichkeit und Schläue. Es bleibt dabei, was ich gesagt habe.«
Glenda hatte Angst. Sie bekam jedes Wort mit, und das Echo der Drohung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Zum Glück hielt das Monster Glenda so gepackt, daß sie nicht durch die hornigen Krallen verletzt wurde.
Sie trug noch immer das grüne Kleid. Doch es war zerrissen und zeigte große Flecke.
Ich dachte an das Bild, das ich von Golo Gulerian gesehen hatte.
Dort hatte er auf einem geflügelten Pferd gesessen, und das vermißte ich jetzt. Dieser Gaul schien sein Wahrzeichen zu sein.
Ich wollte ihn hinhalten. »Wo haben Sie Ihr Pferd?« schrie ich ihn an.
»Es wird noch kommen, keine Angst.«
»Sind Sie aus dem Bild gestiegen?«
»Ja,
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