0105 - Keine Spur von Mister High
Hut vom Haken. Mit schnellen Schritten verließ ich mein Office.
Unterwegs dachte ich wieder an Ralph. Der Mensch gewöhnt sich an vieles, und ein FBI-Beamter ist jedenfalls daran gewöhnt, ständig in einer gewissen Gefahr zu leben. Aber wenn dann plötzlich wieder der Tod eine Lücke in die Reihe der Kameraden gerissen hat, dann hat man jedes Mal wieder dieses eigenartige Gefühl in der Magengegend. Ralph Stephens, knapp fünfzig Jahre alt, verheiratet, Vater von drei Kindern - er war nicht mehr. Irgendein gewissenloser Gangster hatte ihn umgebracht. Und wofür? Sicher für den ewig wiederkehrenden Grund für fast alle Verbrecher: für Geld, für ein paar lausige Dollar… Manchmal ist die Welt zum Kotzen.
Ich bog in die Einfahrt ein. Ein Cop wollte mich stoppen, ich ließ meine Sirene kurz auf heulen, damit er wusste, dass ich zu seinem Verein gehörte. Er trat beiseite und ließ den Jaguar in den Hof rollen.
Als ich ausstieg, sah ich, dass schon ein paar Kollegen vom FBI anwesend waren. Sie standen um eine Bahre. Ich trat hinzu. Genau wie die anderen nahm ich den Hut ab und schaute auf das wächserne Gesicht unseres toten Kameraden. Über Stirn und Hinterkopf hatte man ein Tuch gelegt. Also musste es ihn dort erwischt haben.
Ich setzte meinen Hut wieder auf und wandte mich ab. Die Kollegen kamen mit, während man die Bahre in einen Wagen des Leichenschauhauses brachte.
»Ich bin Tonio Cellani«, sagte ein kleiner, drahtiger Kerl mit wachen Augen. »Freue mich, ihre Bekanntschaft zu machen, Gentlemen. Wenn es mir auch lieber wäre, wir hätten uns aus einem anderen Grund getroffen…«
Er gab uns der Reihe nach die Hand.
»Sind Sie schon lange am Tatort?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
»Noch keine zwei Stunden.«
»Was ist bisher herausgekommen bei Ihrer Arbeit?«
»Der Reihe nach: Ralph Stephens wurde mit einem harten, kantigen Gegenstand erschlagen. Länge der Waffe ist nicht zu erkennen aus den Wundspuren, aber ihre Breite betrug sechseinhalb Zentimeter. Vermutlich war es ein Pflock, eine Brechstange oder etwas Ähnliches.«
»Er ist also totgeschlagen worden?«, fragte ich mit gerunzelter Stirn.
»Ja. Mit einem einzigen Schlag wurde ihm der ganze Hinterkopf zertrümmert.«
Wir schwiegen ein paar Sekunden lang. Es ist eine der rohesten Tötungsarten, die es gibt, wenn jemandem der Schädel eingeschlagen wird. Dafür kommen in der Regel nur völlig gefühllose, besonders brutale Gangster in Betracht. Allein diese Tatsache ist ein Fingerzeig.
»Wie sieht es mit Spuren aus?«, fragte ich nach einer Weile.
Cellani breitete die Arme aus wie ein Beschwörer.
»Mama mia! Wir haben mehr Spuren, als man wünschen kann. Zunächst steht fest, dass noch ein anderer Wagen hier war. Wir haben seine Profilspuren im Sand festgestellt. Es muss ein Wagen der großen Typen sein, der Radabstand ist ausgemessen worden in der Spur. Man untersucht zur Stunde noch, welche Wagen für diesen Radabstand infrage kommen.«
»Könnte es ein Cadillac gewesen sein?«, fragte ich.
»Durchaus.«
»Was sind sonst noch für Spuren entdeckt worden?«
»Mehrere Fußspuren. Sie sind zu undeutlich, als dass man sie verwerten könnte, aber sie erlauben eine gewisse Rekonstruktion der Tat vorzunehmen. Nach den Spuren stellt sich der Hergang der Sache etwa so dar: Der Cadillac stand vor dem FBI-Wagen. Der G-man stieg aus, ging auf den Cadillac zu. Er blieb ein paar Schritte neben dem Wagen stehen. An dieser Stelle.«
Cellani deutete auf eine Stelle, wo eine Nummerntafel mit der Zahl Drei eingerammt worden war.
»Hier wurde der G-man niedergeschlagen. Der Täter stand hinter ihm, seine Spur kommt von der Tür des mittleren Lagerschuppens. Außerdem gibt noch eine kurze Spur neben dem Wagen der Gangster. Und eine dritte Spur auf der anderen Wagenseite. Diese dritte Spur ist besonders interessant, denn sie kann eigentlich nur von hochhackigen Damenschuhen einer kleinen Größe herrühren. Leider ist aber auch hier ein restloses Auswerten der Spur nicht möglich, da sie zu undeutlich ist.«
»Es könnte also so gewesen sein«, murmelte ich, »Ralph stieg aus, weil er aus irgendeinem Grund zu dem Cadillac wollte. Dass in seinem Rücken ein Mann hinter der Tür des mittleren Schuppens lauerte, konnte er nicht ahnen. Noch bevor er den Cadillac gänzlich erreicht hatte, wurde er niedergeschlagen.«
»So könnte es gewesen sein«, stimmte Cellani zu. »Nur steht, wie gesagt, noch nicht fest, ob es tatsächlich ein schwarzer
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