0105 - Keine Spur von Mister High
sichtlich so aufgeregt, dass etwas geschehen sein musste.
»Kommt«, sagte Mrs. Smith, »zeigt mir mal, was los ist!«
Sie ging mit den beiden Kindern nach hinten auf den Hof. Schon als sie um die Gebäudeecke bog, stieß sie einen spitzen Schrei aus. Wie vorher die beiden Jungen, stand sie zuerst wie gelähmt.
»Die Polizei«, flüsterte sie dann. »Wir müssen die Polizei anrufen!«
Sie zog ihre beiden kleinen Begleiter nach vorn zur Straße. Blass und zu Tode erschrocken sah sie sich um. Dann entdeckte sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite die baumlange Gestalt eines Cops der Stadtpolizei, der gelangweilt den Verkehr musterte.
»Hallo!« rief Mrs. Smith. »Hallo, Officer.«
Der Polizist sah auf. Er entdeckte die heftig winkende Frau. Mit den langsamen Bewegungen, die fast alle zu schweren Menschen an sich haben, schob er sich vorwärts.
»Na, Ma’am«, sagte er, als er die Straße überquert hatte, »was kann ich für Sie tun?«
Mrs. Smith schluckte. Ihr Magen rebellierte.
»Da hinten«, flüsterte sie, »da hinten liegt ein Mann. Ich glaube, er ist tot, Officer, wenn Sie vielleicht…«
»Sicher«, nickte der Sergeant. »Ich seh mal nach. Wird wohl ein Betrunkener sein. Warten Sie mal einen Augenblick. Ich sehe nach.«
Etwas schneller ging er in die Ausfahrt hinein. Mrs. Smith konnte sehen, dass er an der Gebäudeecke stehen blieb. Er ließ seinen Blick schweifen. Dann drehte er sich jäh auf dem Absatz um und kam zurückgerannt.
»Warten Sie hier!«, rief er Mrs. Smith zu und verschwand in einem Lebensmittelgeschäft des nächsten Hauses.
Der Laden war zum Bersten voll. Der Sergeant drängte sich durch bis nach vorn.
»Lassen Sie mich bitte durch! Es ist eilig! Lassen Sie mich durch! - Kann ich Ihr Telefon mal benutzen?«
Der dicke Geschäftsmann, der hinter seinem Ladentisch stand, machte eine einladende Handbewegung zu dem Apparat hin, der weiter hinten an der Wand hing.
»Bitte, Sergeant. Selbstverständlich!«
Das Stimmengeschwirr der einkaufenden Frauen war schlagartig verstummt. Alle blickten zu dem stämmigen Polizisten hin, der mit raschen Bewegungen die Wählscheibe drehte.
»Hallo? - Hier spricht Sergeant Tom Caller, 82. Revier. Alarmieren Sie die Mordkommission! Auf dem Hinterhof des Hauses 1463 in der 34. Straße liegt ein Toter. Der Hinterkopf ist völlig zertrümmert. Jawohl, ich bleibe am Tatort.«
Er legte den Hörer auf.
»Was muss ich zahlen?«
Der Dicke hob abwehrend beide Hände.
»Nichts, Sergeant! Das ist Ehrensache. Aber sagen Sie…«
»Danke vielmals!«, unterbrach der Sergeant. »Ich habe keine Zeit. Lassen Sie mich durch!«
Er schob sich durch die Menge und lief auf die Straße zurück. Mrs. Smith stand noch immer wartend an der Ecke.
Die beiden Jungen hatten sich an ihre Hände geklammert.
»Wer hat den Toten gefunden?«, fragte der Sergeant. »Sie?«
»Nein. Die Jungen. Das ist mein Sohn Ben. Das ist Joe, Bens Freund.«
Der Sergeant hockte sich nieder. In den Augen der beiden Kinder stand das blanke Grauen.
»Ich kauf euch nachher eine Stange Kaugummi«, sagte der Sergeant lächelnd und tätschelte beiden die Gesichter mit den runden Wangen, die jetzt totenbleich waren. »Ihr müsst noch eine Weile hierbleiben. Gleich kommen viele Männer. Einer von denen wird euch bestimmt fragen, wie das war. Ihr werdet es ihm genau erzählen, wie ihr den Mann gefunden habt, nicht wahr?«
Die beiden Jungen nickten zaghaft. Der Sergeant richtete sich wieder auf.
»Tut mit leid, Ma’am, aber die Mordkommission muss das genau wissen. Bitte, warten Sie hier mit den beiden Kindern. Ich muss nach hinten. Werden Sie warten?«
Mrs. Smith nickte stumm. Der Sergeant drückte ihr eine Münze in die Hand.
»Kaufen Sie den beiden schon was zum Kauen, damit sie ein bisschen abgelenkt werden.«
Er wehrte jeden Dank ab und schritt wieder in die Einfahrt hinein. Diesmal ging er um die Gebäudeecke bis auf den Hof. Aber in einem Abstand von ungefähr zehn Schritte blieb er vor dem Wagen stehen.
Der Mann sah grässlich aus. Der Sergeant griff in die Hosentasche und zog eine Zigarette aus seinem Päckchen. Eigentlich war er im Dienst, und beim Außendienst durften sie nicht rauchen. Aber mit diesem Anblick vor den Augen…
Es dauerte sechs Minuten, bis die Mordkommission mit heulenden Sirenen, vier Fahrzeugen und insgesamt achtzehn Mann eintraf. Ihr Leiter war ein drahtiger, kleiner, schwarzhaariger junger Detective-Lieutenant der Kriminalabteilung von der Stadtpolizei.
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