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0106 - Hügel der Gehenkten

0106 - Hügel der Gehenkten

Titel: 0106 - Hügel der Gehenkten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der Tür stehenblieb, war der Reporter schneller, streckte seinen Arm aus und öffnete die Tür.
    Ich trat ein.
    Mit einem Toten über der linken Schulter.
    Stimmengemurmel umfing uns. Dann – wie abgeschnitten – verstummten die Gespräche. Ein Glas fiel zu Boden und zerbrach klirrend. Und langsam richteten sich alle Augenpaare auf uns…
    ***
    Ich ließ den Toten zu Boden gleiten, richtete mich wieder auf und sagte: »Guten Abend!«
    Niemand erwiderte den Gruß. Jeder Gast starrte auf die Leiche, die auf dem Rücken lag, so daß ihr Gesicht zu erkennen war.
    Dann ein vielfältiges Aufstöhnen und eine Männerstimme, die flüsterte: »Aber das ist doch Gulliver O’Flynn.«
    »Ja, er ist es«, sagte ich. »Und er ist tot. Man hat ihn an einem Galgen erhängt.«
    Schweigen.
    Entsetzte Blicke, Angst in vielen Augen. Fäuste umklammerten Gläser, zahlreiche Augenpaare wandten sich ab.
    Bis eine keifende Frauenstimme ertönte: »Ja, ihr Narren, ich habe es euch gesagt. Der Fluch wird euch treffen. Er ist zurückgekehrt, der Schamane ist gekommen.«
    Die Frau schien mehr zu wissen. Ich suchte sie.
    Sie stand neben einer Säule, sah aus wie eine alte Hexe, hatte den Finger erhoben und nickte.
    »Und die kleine Zigeunerin ist auch dabei«, kicherte sie. »Wenn das kein böses Omen ist.«
    Ich merkte, wie ein Ruck durch die Gäste ging, und hörte Saffi ängstlich flüstern.
    Einer Volkswut wollte ich gleich einen Riegel vorschieben. Ich zog meinen Ausweis.
    »Mein Name ist John Sinclair, Oberinspektor von Scotland Yard«, sprach ich laut und deutlich, wobei ich die Legitimation so hoch hielt, daß jeder sie sehen konnte. »Ich möchte nämlich nicht, daß Sie auf falsche Gedanken kommen. Wir haben Gulliver O’Flynn nicht umgebracht, und das Zigeunermädchen hat ebenfalls nichts mit seinem Tod zu tun. Das nur zu Ihrer Information.«
    Die ersten Aggressionen wurden hinuntergeschluckt. Ein Beamter von Scotland Yard – obwohl aus dem fernen London kommend –, genoß auch in Wales noch so etwas wie Respekt.
    Schließlich erhob sich ein Mann. Ich schätzte ihn auf fünfzig Jahre. Er hatte einen rostroten Schnauzbart und eine helle Haut mit zahlreichen Sommersprossen. Er war einfach gekleidet, nur um seine breiten Schultern lag eine Lammfelljacke.
    Mit dem wiegenden Gang eines Reiters kam er auf uns zu. Einen Schritt vor mir blieb er stehen. Ich sah, daß er grünliche Augen hatte und Hände wie kleine Kommoden.
    »Ich heiße Ted Orvell!« grollte er mich mit seiner tiefen Stimme an. »Und ich bin hier in Tullverine der Bürgermeister.«
    Er bot mir seine Rechte, und ich nahm sie. Ich weiß nicht, ob es ein Sport von ihm war, jeden Menschen so zu begrüßen, daß er ihm fast die Hand zerquetschte, auf jeden Fall zuckte ich erst zusammen, dann aber erwiderte ich den Druck, und der Bürgermeister zog seine Pranke zurück.
    »Okay, Oberinspektor«, sagte er.
    »Gibt es hier einen Leichenbestatter, Mr. Orvell?«
    »Ja.« Er drehte sich um und winkte mit seinem linken Zeigefinger. Ein magerer Jüngling sprang auf.
    »Hole den Coroner, Toddy«, sagte Ted Orvell. »Und wenn er besoffen im Bett liegt, dann schmeiß ihn raus.«
    »Okay, Ted.«
    Der Bürgermeister wandte sich wieder an uns. »Wollen Sie etwas trinken, Gentlemen?« Er warf einen scheuen Blick auf den Toten.
    »Auf solch einen Schreck kann man ruhig einen vertragen.«
    Wir waren beide nicht abgeneigt. Mit dem Bürgermeister gingen wir zu einem runden Tisch und nahmen dort Platz. Saffi wollte erst nicht, doch Bill zog sie einfach mit.
    Der Wirt kam. Mir fiel auf, daß er dem Mädchen nicht in die Augen sehen konnte. Wahrscheinlich hatte er wie viele Menschen auch etwas gegen Zigeuner. Für Bill Conolly und mich gab es keine Unterschiede. Für uns zählte nur der Mensch. Ob er nun schwarz, weiß oder braun war.
    »Whisky«, bestellte Orvell, »aber von deinem besten.« Er schaute Saffi an. »Trinken Sie auch etwas?«
    »Nein.«
    »Sie sollten es aber«, sagte Bill.
    »Dann ein Glas Wasser.«
    Der Wirt bekam Stielaugen.
    »Hast du nicht gehört?« fuhr Orvell ihn an.
    »Ja, ja, schon gut.« Der Kerl verschwand in der Küche.
    Die anderen Gäste sagten nichts. Sie warteten darauf, was wir wohl erzählen würden. Ihre Ohren hätten sicherlich gern die doppelte Größe angenommen.
    Die Getränke kamen. Der Wirt stellte drei Doppelstöckige vor uns hin. Saffi bekam ihr Wasser.
    Sie bedankte sich.
    Wir tranken.
    Der Whisky war wirklich gut. Er brannte nicht in der Kehle, gab

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