0108 - Mord auf Tonband
nahe daran gewesen, den Dieb zu fassen, aber immer wieder war er in letzter Sekunde entwischt und am Ende verschwunden. Das alles war nicht sonderlich interessant und für uns von keinerlei Nutzen.
Plötzlich stutzte ich, und Phil, der über meine Schulter hinweg mitgelesen hatte, kniff mir schmerzhaft in den Arm. Da war ein Absatz, der eine merkwürdige Erinnerung in mir wachrief. Er lautete:
»Vorgeführt wird Alfred Meier, geboren 1882, von Beruf Kunstmaler. Meier, der bereits wegen Bilderfälschung vorbestraft ist, wurde wiederholt mit dem des Diebstahls eines Bildes von Rembrandt, ,Der Mann mit dem Federhut’, Verdächtigen gesehen. Im Verhör gestand er, dieses Bild gegen eine Bezahlung von 75 Mark übermalt zu haben. Er sagte aus, daß diese Malerei einen Garten mit blühenden Obstbäumen und vielfarbigen Blumen darstelle. Er gibt an, als Vorlage verschiedene Bilder des holländischen Malers Vincent van Gogh benutzt zu haben. Angeblich hat sein Auftraggeber deutsch mit fremdem Akzent gesprochen. Das stimmt mit den Aussagen anderer Leute, die dem Dieb begegnet sein wollen, überein (siehe Seite 123 bis 127 der Akte).«
Es folgte noch eine Beschreibung des mutmaßlichen Diebes, aber es war nicht diese fünfzig Jahre alte Beschreibung des niemals gefaßten Diebes, die mir einen Schock versetzte. Es war das .Geständnis der Übermalung des Bildes durch den obskuren Maler Meier.
Das Gemälde, das der Kunsthändler Brisbane zur Prüfung an Professor Halverstone gegeben hatte, stellte einen Obstgarten mit vielfarbigem Blumenbeet dar. Derartige Bilder gibt es viele, aber plötzlich erinnerte ich mich an die Splitter und Blättchen getrockneter Ölfarbe, die den Boden des Ateliers vor der leeren Staffelei bedeckt hatten. Schlagartig wußte ich, was geschehen war.
Halverstone hatte herausgefunden, daß es sich um ein altes, nachträglich übermaltes Bild handelte, das jahrzehntelang in der Wohnung der Familie des Harald Crucumb gehangen hatte und dessen Wert keiner auch nur ahnte. Wie es dorthin gekommen war, würde wohl ewig ein Geheimnis bleiben.
Wie aber hatte der Dieb und Mörder davon erfahren? Nicht einmal Brisbane war von Halverstones Entdeckung unterrichtet gewesen. Seiner Schwester hatte der Professor bestimmt nichts davon gesagt, und dasselbe galt für den schwarzen Diener Caesar, der es auch gar nicht verstanden hätte.
War Renée Lejaune zufällig während der Nacht in das Atelier gekommen? Auch das schien unmöglich. Halverstone war als seriös und korrekt bekannt und würde sich niemals mit diesem anrüchigen Bürschen abgegeben haben.
Nur um nichts zu versäumen, setzte ich mich nochmals mit Brisbane in Verbindung.
»Ausgeschlossen!« erklärte er entrüstet. »Wenn Halverstone aber eine derartig sensationelle Feststellung getroffen hätte, so würde er mich unverzüglich unterrichtet haben, auch wenn dies mitten in der Nacht geschehen wäre. Sie haben mir soeben erklärt, der Fußboden sei mit den Resten getrockneter Ölfarbe bedeckt gewesen. Sie wissen nicht, welch diffizile und langwierige Arbeit es bedeutet, ein übermaltes Bild freizulegen. Er müßte damit bereits viele Stunden vorher, also am Nachmittag, begonnen haben. Ich bin der festen Überzeugung, er hätte mich in diesem Fall davon in Kenntnis gesetzt oder, da ich an dem betreffenden Tag einige Stunden abwesend war, Julie damit beauftragt.«
»Hat sich ihre tüchtige Sekretärin eigentlich inzwischen wieder sehen lassen?« fragte ich.
»Leider nicht. Ich war gezwungen, eine neue zu engagieren, die nicht halb so geschickt ist.«
»Und wann hat Julie Cain sich des Todes ihrer Tante wegen Urlaub geben lassen?« forschte ich. Es war mir soeben ein ungeheuerlicher Gedanke aufgestiegen.
»Am gleichen Nachmittag. Als ich aus der Stadt zurückkam, hatte sie gerade das Telegramm Erhalten.«
»Könnte sie nicht in der Aufregung vergessen haben, Ihnen Halverstones Botschaft auszurichten?«
»Nein. Es hatten mich noch mehrere Leute wegen verhältnismäßig gleichgültiger Dinge zu erreichen versucht, und sie hat alles auf einem Block notiert. Sie würde keineswegs vergessen haben, mir eine so dringende Nachricht zu übermitteln.«
Ich vermied es, Brisbane die Einzelheiten zu erklären, aber er hatte wohl etwas gemerkt und war zehn Minuten später schon bei mir. So zeigte ich ihm dann die Münchner Akte. Der Mann fiel aus allen Wolken.
»Mein Gott!« stöhnte er. »Wenn ich einen derartigen Schatz in Händen gehabt hätte und er wäre,
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