0108 - Mord auf Tonband
Tag und Nacht besetzt, und niemand hat sie gehen sehen. Sie muß übrigens schon seit einigen Tagen fehlen, aber das fiel nicht auf. Wir haben zwar nur sechzig Gäste, von denen jedoch keiner den anderen kennt. Es gibt keinen Speisesaal, sondern nur ein -kleines, separates Restaurant. Die meisten essen außerhalb.«
»Hat die Dame in letzter Zeit Besuch empfangen?« fragte ich, während wir zum Lift gingen.
»Ja, des öfteren. Meist kam ein einzelner Herr, der sie abholte, und einmal, vor ein paar Tagen, waren es zwei Fremde, die sagten, sie würden erwartet.«
Der Lift hielt im zweiten Stock, und wir stiegen aus. Mr. Kraut, wie der Hotelbesitzer sich vorgestellt hatte, schloß die Tür zum Zimmer Nummer 37 äuf. Es war eine gepolsterte Doppeltür und ich machte darüber eine Bemerkung.
»Wir legen Wert darauf, daß unsere Gäste sich wohl fühlen und nicht gestört werden«, meinte er. »Es gibt viele Leute, die nur darum bei uns wohnen, weil sie zurückgezogen und unbelästigt von jedem Lärm wohnen können. Aus demselben Grund habe ich auch Doppelfenster anbringen lassen.«
Ich fand, daß der Mann recht vernünftige Ideen hatte. Schon manchmal hatte mir der Krach in den großen Karawansereien die Nachtruhe geraubt.
Das Zimmer war nicht groß und einfach, aber nett eingerichtet. Die Fenster waren geschlossen und die Gardinen zugezogen. Auf dem dafür bestimmten Bock standen zwei Koffer, und auf der Glasplatte über dem Waschbecken lagen die üblichen Toiletteartikel. Das Bett war gemacht. Es sah wirklich so aus, als ob das Mädchen weggegangen und nicht zurückgekommen sei. Ich nahm die Bilder von Julie Cain und Renée Lejaune aus der Tasche und zeigte sie dem Wirt.
»Ja, das ist sie und das der junge Mann, der sie verschiedentlich abholte.«
»Faule Geschichte«, knurrte Phil. »Ich habe so eine Idee, als ob sie irgendwo im Hudson schwimme.«
»Warum gerade im Hudson? Es kann ja auch der East River sein«, sagte ich, aber ich wollte 'durchaus keinen Witz machen.
Ich war wütend. Eigentlich wäre damit ja unser Vorhaben erledigt gewesen, Julie Cain hatte hier gewohnt und war weg.
»Erinnern Sie sich noch an die beiden Herren, die die Frau besuchten? Ist sie vielleicht mit ihnen weggegangen?« fragte ich.
Ich hatte den Verdacht, dieselben Leute, die Lejaune ermordet hatten, hätten Julie Cain entführt.
»Die Herren verließen das Hotel allein. Der Portier erinnert sich noch genau daran.«
Natürlich würde ich den Pförtner noch einmal fragen.
Ich klappte spielerisch den Deckel des einen Koffers hoch und sah, daß dieser leer war. Mit dem zweiten war es dasselbe. Das war ein weiterer Beweis, daß Julie nicht die Absicht gehabt hatte, das Hotel zu verlassen. Sie mußte alles in den Schrank geräumt haben. Dieser war in die Mauer eingebaut. Ich drehte den Schlüssel und öffnete.
Im Wäschefach lagen säuberlich gefaltet duftige Dinge, die ich dem häßlichen Mädchen niemals zugetraut hätte.
Daneben hingen aufgereiht eine ganze Anzahl Kleider, und darunter standen die dazugehörigen Schuhe. Diese Schuhe waren im Gegensatz zu den anderen Sachen durcheinander geworfen. Sogar ein einzelner war dazwischen, dessen Partner fehlte. Ich bückte mich danach, und im nächsten Augenblick griff ich zwischen die Kleider, um diese zur Seite zu schieben. In dem Schuh steckte ein Fuß.
Dieser Fuß gehörte Julie Cain, die gefesselt und regungslos im Schrank hockte. Phil und ich packten zur gleichen Zeit an. Wir hatten einen starren Leichnam erwartet, aber Julie Cain lebte. Während Phil die Fesseln durchschnitt, fühlte ich nach dem Herzschlag. Er war verzweifelt schwach.
Die ehemalige Sekretärin war halb verhungert und verdurstet, genauso wie die kleine Katze, die sie im Stich gelassen hatte. Es hatte keinen Sinn Wie-‘ derbelebungsversuche anzustellen.Es gab nur eines: das Krankenhaus, und das so schnell wie möglich.
Während Phil hinunter lief, um den Unfallwagen zu alarmieren, stellte ich mir vor, was geschehen war. Die beiden Besucher hatten sich aus irgendeinem Grund gescheut, das Mädchen an Ort und Stelle zu ermorden. Sie fesselten sie, steckten sie in den Schrank, schlossen diesen von außen ab und gingen. Sie hatten nicht nur die massive Schranktür, sondern auch die zur Bequemlichkeit der Gäste angebrachten Sicherungen gegen Geräusche erkannt und ausgenutzt. Julie mochte stundenlang geschrien haben, ohne daß jemand sie hörte. Dann war sie vor Erschöpfung in Ohnmacht gefallen.
»Wie lang ist
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