Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0109 - Das Alptraum-Mädchen

0109 - Das Alptraum-Mädchen

Titel: 0109 - Das Alptraum-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
Vom Netzwerk:
begleitete.
    Die Pakete waren rasch verstaut. Tom Shafer händigte ihr den Schlüssel aus. Zusammen fuhren sie die Rolltreppe hoch.
    »Haben Sie vielen Dank«, sagte Nicole und streckte dem Mann ihre Hand entgegen.
    Der ergriff sie auch. Aber er ließ sie nicht mehr los. Sein Grinsen gefror.
    Neben dem Aufgang rollte ein beiger Ford älteren Baujahrs aus. Zwei Männer saßen darinnen.
    »Ich habe sie! John, Abe!«
    Nicole wollte schreien, doch da legte sich eine Pranke auf ihren Mund. Einer der beiden Männer sprang aus dem Wagen. Er hielt einen Wattebausch in der Hand, der nach Äther roch.
    Bevor Nicole sich überhaupt richtig bewußt wurde, was mit ihr geschah, sank sie schon zusammen.
    Ihr letzter Gedanke galt Zamorra.
    Es war ein sehr starker Gedankenimpuls, den sie aussandte.
    ***
    »… und darf Sie hiermit zu der vorliegenden amerikanischen Übersetzung Ihres epochemachenden Werkes beglückwünschen, Professor Zamorra«, beendete Mr. Josua Silverstone eben seine Laudatio in einem der vielen Konferenzräume des New York City Hilton.
    Der Beifall des geladenen Publikums brandete auf. Zamorra bekam ein Buch in die Hand gedrückt, der Verleger mit der grauen Löwenmähne klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
    Doch Zamorra nahm das alles nur wie durch einen Nebel wahr. Ein Impuls in seinem Gehirn spülte alle anderen sinnlichen Wahrnehmungen hinweg. Ein sehr starker Impuls, wie er sich häufig von einem zum anderen Menschen mitteilt, die sich sehr nahestehen. Wer würde nicht die Schilderungen von Müttern kennen, die während des Krieges die Hilferufe ihrer sterbenden Söhne empfingen? So laut und so stark, als würden sie neben ihnen im Raum stehen, obwohl doch oft Tausende von Kilometern zwischen ihnen lagen.
    Dazu war Professor Zamorra noch besonders mental veranlagt. Er hatte alle Eigenschaften eines vorbildlichen Mediums. Deshalb konnte er auch auf Anhieb identifizieren, wer ihn hier um seine Hilfe anflehte.
    Schemenhaft tauchten drei Männer vor sein geistiges Auge, ein sonnenüberfluteter Platz mit vielen Geschäften außen herum, eine Kirche. Die Männer zerrten ein Mädchen auf einen älteren Wagen zu. Das Mädchen war keine andere als Nicole. Sie hing schlaff in den Armen eines braungebrannten, blendend aussehenden und tadellos gekleideten Mannes.
    Dann verblaßte das Bild, so schnell wie es gekommen war.
    »Ist Ihnen nicht wohl, Professor?«
    Nur langsam fand Zamorra in seine wirkliche Gegenwart zurück. Mr. Josua Silverstone sah ihn mitfühlend an. »Professor! Was ist mit Ihnen? Kann denn niemand ein Glas Wasser bringen?«
    Zamorra fühlte, wie sich die Schwäche aus seinen Kniekehlen verlor. Er hüstelte und hatte die Kraft, wieder auf eigenen Beinen zu stehen.
    »Nein, nein. Danke«, wehrte er ab. »Es geht schon wieder«, murmelte er. »Nur eine leichte Unpäßlichkeit. Verzeihen Sie.«
    Auf Mr. Silverstones Gesicht breitete sich wieder das gutmütige Lächeln aus, das er schon die ganze Feierstunde über zur Schau getragen hatte.
    Zamorra ließ seinen Blick über die Gäste schweifen. Sie klatschten immer noch. Der Schwächeanfall konnte nur Sekunden gedauert haben. Die meisten hatten wohl gar nichts davon mitbekommen. Lediglich Bill schaute mißtrauisch zum blumengeschmückten Podium herauf. Auf seiner Stirn lagen Falten. Er kannte den Freund. Er wußte genau, wie er reagierte, wenn etwas Unvorhergesehenes vorgefallen war. Wenn Zamorra seine Bilder empfing, wie er sich manchmal ausdrückte.
    Früher hatte es Zeiten gegeben, in denen Bill diese »zweiten Gesichter« Zamorras still belächelt hatte. Inzwischen war er eines Besseren belehrt. Selbst als analytischer Geist mußte er anerkennen, daß das überstrapazierte Goethewort von den Dingen, die keine Schulweisheit kennt, durchaus seine Berechtigung hatte.
    Zamorra wäre jetzt dran gewesen, eine Rede zu halten. Er hatte sich auch eine zurechtgelegt, doch jetzt verzichtete er darauf, sie zu halten.
    Statt dessen beließ er es bei einigen Dankesworten an Verleger, Übersetzer und Publikum. Er lächelte in die Kameras der Fotografen von der Fachpresse und sehnte die Minute herbei, in der er sich endlich von der ganzen Gesellschaft loseisen konnte.
    Doch die Verpflichtungen waren nun einmal da. Zamorra wollte die Gäste nicht brüskieren. Andererseits befand sich Nicole in Gefahr.
    Doch was er gesehen hatte, sagte ihm, daß er jetzt auch mit übereilten Reaktionen nichts erreichte. Nicole war bewußtlos geworden. Der Kontakt zu ihr war

Weitere Kostenlose Bücher