0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong
mit dreißig Kilo schwarzen Tee anfängt? Das bedeutet ja täglich einen Verbrauch von einem Kilo Tee! In einem Speiserestaurant von dieser Größe ist das absolut unmöglicn.«
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verbeißen.
»Vielen Dank, Rock! Wahrscheinlich hast du das Ei des Kolumbus entdeckt. Verfolge diese Sache weiter! Vor allem interessiert uns natürlich — na, du kannst es dir vielleicht denken.«
Ich wollte nicht deutlicher werden, weil Fen Sa Chu mich ja hören konnte. Und Trümpfe soll man immer dann ausspielen, wenn der Gegner annimmt, daß man keine mehr hätte.
»Du meinst, wo das Zeug herkommt?«
»Richtig.«
»Okay, Jerry. Ich kümmere mich darum.«
Ich legte den Hörer auf und beugte mich vor.
»Wir wollen endlich zur Sache kommen!« sagte ich scharf. »Sie heißen Fen Sa Chu, amerikanischer Staatsbürger, 1938 in die Vereinigten Staaten eingewandert, seither in New York wohnhaft?«
»Ja, Sir, das ist richtig, Sir.«
»Wir werden gegen Sie Anklage erheben wegen Vergehens gegen das Rauschgiftgesetz, wegen Verführung Minderjähriger, wegen Freiheitsberaubung, Erpressung und einiger anderer Delikte. Bekennen Sie sich schuldig?«
Er schwieg. Mühsam versuchte er, ruhig zu bleiben. Schließlich krächzte er mit seiner hohen Stimme:
»Ich werde keine Aussagen machen, bevor nicht mein Anwalt hier gewesen ist.«
»Wie heißt Ihr Anwalt? Wir werden ihn anrufen.«
Er schüttelte hastig den Kopf, ein bißchen zu hastig, wie mir schien.
»Das ist nicht nötig, Sir! — Er — er wird sich schon von selbst melden. Bestimmt, Sir.«
»Wie soll er das? Woher soll er denn wissen, daß Sie hier sitzen? Oder wollen Sie mir vielleicht einreden, daß Ihr Anwalt nichts anderes zu tun hat, als alle paar Stunden bei Ihnen anzurufen, nur um zu sehen, ob Sie noch auf freiem Fuße sind?«
Diese Frage brachte ihn aus dem Konzept. Er stammelte wirres Zeug, was nur seine Ratlosigkeit bewies.
»Oder ist es vielmehr so, daß Sie sich darauf verlassen, Ihr Boß werde Ihnen einen guten Anwalt schicken? Ist es so, ja?«
Er wollte etwas sagen, besann sich aber und knurrte trotzig:
»Ich werde erst dann Ihre Fragen beantworten, wenn ich mit meinem Anwalt besprochen habe, was zu besprechen ist.«
Ich schwieg ein paar Sekunden, dann schoß ich meinen Trumpf ab:
»Na schön. Dann werden wir uns inzwischen ein bißchen für Ihre Tee-Lieferungen interessieren, Mister Fen Sa Chu!«
Wir sahen beide ganz deutlich, wie er zusammenfuhr. Der Schuß hatte mitten ins Schwarze getroffen, davon waren wir beide überzeugt.
***
Li Yu Tang hatte sich ein kleines Zimmer in einem billigen Hotel genommen und schlief tief und traumlos, als hätte sich an ihrem gewohnten Leben nichts geändert. Allerdings durfte man sicher sein, daß jedes leiseste unnormale Geräusch in der Nacht sie sofort geweckt hätte. Ihre kleine Damenpistole lag unter ihrem Kopfkissen.
Am nächsten Morgen frühstückte sie langsam und mit Genuß. Dazu ließ sie sich die Morgenblätter auf ihr Zimmer schicken.
Die meisten Zeitungen hatten dicke Schlagzeilen unter der kleinen Überschrift: Noch nach Redaktionsschluß erfuhren wir, daß das FBI in Zusammenarbeit mit der Stadtpolizei…
Li Yu Tang las die Artikel, ohne eine Miene zu verziehen. Natürlich gab es stellenweise die üblichen Übertreibungen, die sich Journalisten meistens dann einfallen lassen, wenn sie zur Sache selbst wenig wissen.
Nachdem sie ihre Rechnung bezahlt hatte, verließ sie das Hotel. Zuerst dachte sie daran, ein Taxi zu nehmen, aber dann überlegte sie sich, daß es auf diese Art für die Polizei ziemlich leicht sein würde, ihre Spur zu finden.
Sie ging zu Fuß, bis sie die nächste Bus-Haltestelle fand. Mit Bussen, U-Bahnzügen und zu Fuß kam sie aus Queens zurück nach Manhattan. Kaltblütigbegab sie sich ins Chinesenviertel.
Nicht weit von der Stelle entfernt, wo wir in der Nacht zuvor die Razzia durchgeführt hatten, betrat Li Yu Tang ein kleines Haus, das ein wenig aus der Front der anderen Gebäude zurückgelagert war.
Sie geriet in einen engen, zwielichtigen Hausflur, in dem es nach Weihrauch und Räucherstäbchen roch. Das Mädchen blieb einfach im Flur stehen und wartete. Obgleich mit der Haustür keine Klingel verbunden war, mußte man ihr Eintreten doch bemerkt haben, denn schon nach kurzer Zeit erschien ein sehr alter, kahlköpfiger Chinese, dessen Gesicht sich beim Anblick Li Yu Tangs zu einer freundlichen Grimasse verzog.
»Tochter des Himmels«, krächzte er mit
Weitere Kostenlose Bücher