0113 - Schwarzer Tee aus Hongkong
Sa Chu angestellt waren, nach diesem Mädchen verhört. Es ergibt sich folgendes Bild: Diese Li Yu Tang scheint ein sehr hübsches Mädchen zu sein, Alter um die zwanzig Jahre. Der alte Halunke fand sich wohl mit dem Papierkrieg selber nicht so zurecht.«
»Hast du diese Li Yu Tang ebenfalls verhört?« fragte Phil.
Rock knallte die flache Hand auf seine Akten.
»Das ist es ja! Wir haben sie nicht!«
»Wir haben sie nicht?« wiederholte ich verdutzt. »Sie befindet sich nicht unter den Inhaftierten? Wohnt sie nicht im Hause Fen Sa Chus?«
»Doch! Sie wohnt da. Aber wir haben sie trotzdem nicht.«
Wir sahen uns ratlos an. Die Absperrung des ganzen Geländes war meiner Meinung nach in der Nacht so lückenlos und vollkommen gewesen, daß mit dem Beginn der Aktion keine Maus unbeobachtet hätte hindurchkommen können. Und jetzt sollte eine so wichtige Figur wie die Sekretärin entkommen sein?
Rock sah unsere fassungslosen Gesichter und nickte heftig.
»Ja, ja, glaubt es nur! Sie ist verschwunden! Dieser Teufelsbraten muß es fertiggebracht haben, uns zu entwischen. Das einzige, was ich von ihr auftreiben konnte, ist dieses Foto. Es stand auf Fen Sa Chus Schreibtisch, und ich dachte mir, daß es nicht schaden könnte, das Bild mitzunehmen. Man soll den wunden Punkt seines Gegners kennen, und wenn ein Mann das Foto eines hübschen Mädchens auf seinem Schreibtisch stehen hat, dann ist dies sein wunder Punkt.«
»Du solltest Fachmann für psychologische Kriegsführung werden«, sagte Phil. »'Bist du denn sicher, daß dieses Foto tatsächlich ein Bild dieser Li Yu Tang ist?«
»Ganz sicher. Ich habe ein paar von den gefangenen Chinesen befragt. Sie sagten alle, daß es Li Yu Tang wäre. Hier ist sie.«
Er legte das Foto eines zierlichen Mädchens auf den Tisch, das auch für abendländische Schönheitsmaßstäbe sehr gut aussah. Wir betrachteten es, dann sagte ich:
»Okay, wir werden nach ihr fahnden lassen. Was Fen Sa Chu uns nicht verraten will, sagt uns vielleicht das Mädchen, wenn wir sie erst einmal haben. Allzu schwierig kann es nicht sein, sie zu kriegen. Chinesinnen von diesem Aussehen fallen auf.«
Ich rief die Fahndungsabteilung an, die natürlich auch nachts ein paar Mann zur Verfügung hält, und ließ das Foto abholen, damit man einen Steckbrief drucken lassen konnte.
Danach fragte Phil:
»Sonst noch irgend etwas Interessantes im Zusammenhang mit dieser Li Yu Tang?«
Rock zuckte die Achseln.
»Ich weiß nicht, ob es interessant ist. Hier — was kann das sein?«
Er zog ein Kettchen aus seiner Hosentasche, das aus Silber zu bestehen schien, obgleich kein amtlicher Feingehaltstempel zu entdecken war. Die feinen Glieder des Kettchens ließen auf Handarbeit schließen. An der Kette hing ein eigenartiges Gebilde, das so ähnlich aussah wie ein Lindwurm auf mittelalterlichen Zeichnungen und Kupferstichen.
»Einer dieser Drachen, die man in China überall sehen kann«, sagte Phil, während er das Kettchen betrachtete.
»Und was bedeuten diese Schriftzüge die hier in dem Flügel eingraviert sind?« erkundigte ich mich.
Rock zuckte die Achseln:
»Ich habe keine Ahnung. Als der Sachverständige bei mir im Office war, vergaß ich, ihm auch dieses Kettchen zu zeigen. Vielleicht ist es ein Amulett oder so etwas?«
»Das ist leicht möglich«, nickte ich. »Wo hast du das Kettchen gefunden, Rock?«
»In dem Raum, der nach Aussagen einiger Diener, Kellner und Mädchen der Opiumhöhle das Zimmer Li Yu Tangs war.«
»Sonst noch etwas?«
»Na, sieh dir mal diese Liste an. Wir haben, wie bei solchen Aktionen üblich, von jedem Zimmer eine Inventarliste gemacht, bevor wir die Tür versiegelten. Da ist die Liste, die von dem Zimmer dieses Mädchens angefertigt wurde.«
Er suchte in seinen Akten und schob uns schließlich eine mit Schreibmaschine geschriebene Aufstellung über den Schreibtisch.
Wir gingen die einzeln angeführten Gegenstände durch. Zunächst wurden die Einrichtungsstücke erwähnt, dann kamen Kleider und Wäscheteile, danach der übliche kleine Kram, der sich in jeder Wohnung befindet, wie Vasen, Zierfiguren, Aschenbecher, Bilder und Ähnliches.
Zum Schluß stand lakonisch: »Schußwaffen: eine alte Pistole deutschen Fabrikats, nachweisbar aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, mit einem Karton Munition (50 Patronen), ferner eine Smith and Wesson, 38 Special, Standard-Ausführung, drei Kartons (zu je 25 Stück) Munition zur letzteren Waffe passend. Beide Waffen sind anscheinend noch
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