0117 - Schwere Fäuste, leichte Siege
Überraschung schien echt zu sein. Außerdem überlegte Phil, dass Randolph sicher nicht zu dem vereinbarten Treffpunkt gekommen wäre, wenn er gewusst hätte, dass die Morgan tot war und somit nicht erscheinen konnte.
»Ja«, sagte Phil. »Mabel Morgan wurde heute Nacht ermordet.« Er machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Randolph, Martin Randolph, ich gebe Ihnen den guten Rat, packen Sie restlos aus, was Sie wissen, oder Sie werden Ihr blaues Wunder erleben.«
Phil setzte seine harte Miene auf. Er versteht es vorzüglich, sein Gesicht so zu verändern, dass jeweils der von ihm gewünschte Ausdruck darin erscheint.
Randolph nagte an seiner Unterlippe.
»Los, Randolph!«, sagte Phil hart. »Machen Sie schon den Mund auf!«
Der Rauschgifthändler hob erschrocken den Kopf, als er Phils scharfen Ton hörte. Er beeilte sich zu nicken und stieß hastig hervor: »Geht in Ordnung, G-man! Ich werde alles sagen! Bitte, nicht den dritten Grad! Nicht den dritten Grad!«
Phil verriet mit keinem Wimpernzucken, dass er innerlich grinste. Obgleich es keinen dritten Grad gibt und es streng verboten ist, Häftlinge durch Gewaltanwendung zum Sprechen zu bringen, hält sich dieses Gerücht hartnäckig in der Öffentlichkeit. Es liegt daran, dass einige Sensationsblätter immer wieder die unglaublichsten Geschichten in dieser Hinsicht erfinden. Meistens legen sie solche Schauergeschichten um zehn oder fünfzehn Jahre zurück, sodass sie immer sagen können, von heute wäre doch gar keine Rede gewesen. Aber natürlich merkt jeder Leser, dass es eine Geschichte sein soll, die heute spielt. Diese schaurigen Storys, in denen die Polizei immer wie eine Art menschlicher Teufel auftritt, während die armen Verbrecher engelsgleiche Wesen sind, vergiften die öffentliche Meinung und halten hartnäckig das Gerücht vom dritten Grad aufrecht.
»Das werde ich mir noch überlegen, das mit dem dritten Grad«, bluffte Phil. »Es hängt einzig und allein davon ab, wie gut ihr Gedächtnis ist. Also los, fangen wir an: Wie lange bekam Mabel Morgan schon Kokain von Ihnen?«
»Seit drei Monaten ungefähr.«
»Also seit fünf Monaten«, entgegnete Phil, der seine Typen kannte. »Wie kam sie dazu, rauschgiftsüchtig zu werden?«
Randolph wand sich hin und her und wollte zuerst nicht mit der Sprache heraus. Phil schrie ihn plötzlich an, dass er beinahe vor Angst vom Stuhl gefallen wäre.
»Wir haben eine Party arrangiert«, sagte er dann. »Als die Leute genug Whisky und Cocktails in sich hineingepumpt hatten, machte einer den Vorschlag, man sollte doch mal dieses Kokain ausprobieren, von dem die Zeitungen immer soviel Wind machen. Er wäre überzeugt, dass es völlig harmlos wäre.«
Phil holte tief Luft. Er kannte diese Partys nur zu gut. Moral und Anstand wurden dabei unter Alkohol und Rauschgiften begraben.
»Sie Schwein«, sagte er und musste sich beherrschen, dass er nicht losbrach. »Auf diese krumme Tour habt ihr euch neue Kundschaft verschafft. Wie viel waren bei dieser Party?«
»Na, so an die dreißig…«, gestand Randolph kleinlaut.
»Also mindestens vierzig«, schnaufte Phil. »Und wie viel davon ließen sich dazu bewegen, es mit Kokain zu versuchen?«
Randolph sah unglücklich auf seine Fußspitzen. So leise, dass Phil es kaum verstehen konnte, murmelte er: »Alle!«
Phil schnaufte. Er war nahe davor, zu explodieren. Diese Party-Methode war neu im Rauschgiftwesen, aber sie wurde ziemlich häufig angewandt, seit sie vor ein paar Monaten aufgekommen war. Die großen Rauschgiftbosse versuchten, auf die Art neue Kunden und damit größere Märkte zu gewinnen.
Leider hatten sie Erfolg mit dieser Methode, wie auch dieser einzelne Fall wieder bewies.
»Okay«, knurrte Phil böse. »Über die Opfer unterhalten wir uns morgen. Ich möchte jetzt eine Liste von allen den Leuten, die zur Verteilungsbande gehören. Diese Liste wird von Ihnen absolut vollständig aufgestellt werden, Randolph, oder wir beide geraten aneinander. Hier ist Papier. Ich will Namen und Anschriften haben. Legen Sie los!«
Phil steckte sich eine Zigarette an und ging unruhig im Zimmer auf und ab. Dies war einer der Fälle, wie er beim FBI nicht allzu häufig vorkommt. Meistens war es wesentlich schwieriger, an eine Rauschgiftbande heranzukommen. Umso besser war es natürlich, wenn es auch mal einfach ging.
Randolph schrieb, schwitzte, dachte, schwitzte und schrieb.
»Kann… kann ich vielleicht… eh… ich meine, eine Zigarette…?«, stotterte er nach
Weitere Kostenlose Bücher