0120 - Die Stunde der Vampire
saßen die beiden Mädchen am Tisch der Amerikaner, eine neben Travis, die andere neben Flynn.
»Was trinken die Damen?« fragte Travis mit großer Geste. »Whisky, Cognac, Champagner?« Geld spielte keine Rolle. Die Littlejohn Tobacco Company gewährte ihren Leuten großzügige Spesensätze.
Die beiden Mädchen kicherten, tuschelten miteinander. Travis verstand kein Wort. Sein Französisch war schon nicht besonders gut. Die einheimische Sprache jedoch, die sich Creole nannte, Französisch durchsetzt mit indianischen und afrikanischen Brocken, klang in seinen Ohren wie Russisch oder auch Chinesisch.
»Champagner«, bestellte eines der Mädchen und bedachte Travis mit einem glutvollen Blick.
Travis rief den schmierigen Kellner, der auch sofort angewieselt kam.
»Champagner, habt ihr so was in eurer trüben Spelunke, Affengesicht?«
Natürlich bekam der Bursche nur das Wort Champagner mit. Und das quittierte er mit einem grinsenden ›Oui, oui‹.
»Dann zisch ab, und bring ’ne Pulle. Oder besser gleich zwei.«
Roscoe Flynn übersetzte Travis’ Bronx-Jargon ins Französische. Der Kellner ging. Kurz darauf war er wieder da - mit zwei Flaschen und vier Gläsern. Einen Sektkübel brachte er nicht mit. Travis wunderte das nicht. Sektkübel waren für den Burschen vermutlich so fremd wie saubere Finger. Aber bei diesem Champagner kam es wohl nicht darauf an, ob man ihn kalt oder warm trank. Es würde sich so oder so um gezuckertes Spülwasser handeln.
Genauso war es. Das Zeug schmeckte perfide. Travis nahm sich vor, es bei ein paar kleinen Kostproben zu belassen.
Anders die beiden Mädchen. Sie langten ordentlich hin. Kichernd leerten sie Glas um Glas. Der Erfolg blieb nicht aus. Die Girls wurden zutraulich, sehr zutraulich. Die beiden Amerikaner nutzten ihre Chance. Travis versenkte seine Hand tief im Ausschnitt seines Girls. Angenehme Empfindungen durchrieselten ihn. Das Fleisch des Mädchens war jung und fest. Und die Haut fühlte sich an wie Samt.
Aber Travis wollte mehr.
»Was ist, Roscoe?« raunte er seinem Kollegen zu. »Wollen wir den ganzen Abend hier klebenbleiben? Frag die Puppen mal, ob sie mit ins Hotel kommen.«
Flynn nickte, sprach dann mit den Mädchen. Er stieß auf keinerlei Schwierigkeiten.
»Sie sind einverstanden«, gab er Bescheid. »Zehn Dollar für dich, zehn Dollar für mich.«
»Mensch, ist ja geschenkt«, sagte Travis begeistert. »Wenn ich überlege, was man in New York dafür bekommt…«
Zwanzig Dollar wechselten den Besitzer. Die Amerikaner zahlten noch die Zeche und verließen dann das Chez Napoleon.
Draußen auf der Straße war es ziemlich dunkel. Laternen waren Mangelware in Les Cayes. Die niedrigen Häuser sahen aus wie Raubtiere, die sich zum Sprung duckten.
Travis fühlte sich ein bißchen unwohl. Haiti war ein armes Land. Leute wie er und Flynn wurden hier wie Krösus persönlich angesehen. Da konnte manch einer auf komische Gedanken kommen. Es drängte ihn, von der Straße zu verschwinden. Den Arm um sein Mädchen geschlungen, steuerte er auf den Geländewagen zu, der ihm und Flynn hier als Fahrzeug diente. Sein Kollege und das andere Mädchen folgten ihm auf dem Fuße.
Flynn wollte den Schlüssel gerade ins Türschloß des Wagens stecken, als wie aus dem Boden gewachsen plötzlich ein Mann vor ihnen stand. Ein großer Neger mit einem Kreuz, das fast doppelt so breit war wie das eines Durchschnittsmenschen. Der Mann trug jedoch nicht wie viele hier zerlumpte Kleidung, sondern hatte einen halbwegs manierlich aussehenden Anzug an. Trotzdem schlich eisiges Unbehagen in Travis’ Herz.
Der Mann sprudelte ein paar Sätze hervor, die Travis nicht verstand.
»Was sagt er?« Travis Stimme klang nervös, gepreßt. Am liebsten wäre er davongelaufen.
»Er sagt, er wäre von der Polizei«, antwortete Roscoe Flynn. Auch seine Stimme drückte Besorgnis, ja, eine gewisse Alarmstimmung aus.
»Polizei? Wieso…«
Flynn sagte etwas zu dem athletischen Neger. Dieser griff daraufhin in die Tasche und holte einen Ausweis hervor. Er hielt ihn Flynn dicht vor die Augen.
»Und, Roscoe?«
»Tatsächlich Polizei. Geheimpolizei!«
»Geheimpolizei? Teufel, was haben wir denn…«
Wieder sprach Flynn mit dem Neger. Der Dialog, der sich entspann, wurde hektisch, wurde laut. Er endete damit, daß der Haitianer auf einmal einen Revolver zückte und damit unmißverständlich auf Flynn zielte.
»Roscoe, um Gottes willen!«
Flynn konnte ein Zittern nicht vermeiden, als er sagte: »Er
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