0127 - Der grüne Spuk
Augen weiteten sich. Der Truck rollte die Freilandstraße entlang.
Beiderseits erstreckten sich abgeerntete Äcker. Cukor glaubte, nicht richtig zu sehen. War das eine Luftspiegelung? Oder kam ihm tatsächlich ein ebenso großer Truck wie der, in dem er saß, auf der falschen Seite entgegen?
Laurence Cukor reagierte, so schnell es ihm möglich war. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, auf einen riesigen Spiegel zuzufahren. Er glaubte sogar, sich selbst am Steuer des entgegenkommenden Lkw erkennen zu können.
Sein Fuß wechselte vom Gas zur Bremse. Er wollte den Zusammenstoß um jeden Preis verhindern. Atemlos riß er das Steuer nach rechts.
Der entgegenkommende Truck schwenkte in dieselbe Richtung ab. Cukor stieß einen erschrockenen Schrei aus. Sein Lkw kam von der Fahrbahn ab. Er rumpelte durch den flachen Graben und blieb nach wenigen Metern auf dem Acker stehen.
Der Aufprall blieb aus. Sobald der Truck sich nicht mehr vorwärts bewegt hatte, hatte Laurence Cukor die Augen fest zusammengepreßt.
Nun öffnete er sie ungläubig wieder. Nichts war geschehen. Cukor drehte das Seitenfenster nach unten und steckte den Kopf hinaus.
Stille. Weit und breit war kein zweiter Truck zu sehen. »Meine Güte«, ächzte Laurence Cukor und fuhr sich über die Augen. »Das war ’ne richtige Halluzination. Ich dachte, so was gibt’s nicht. Meine Nerven haben mir einen Streich gespielt. Ich arbeite zuviel. Verdammt noch mal, ich glaube, ich muß in den nächsten Tagen mal zum Arzt gehen.«
Er konnte es nicht fassen.
Er hatte etwas gesehen, das nicht existierte. Die Sache war zum Glück noch einmal gut ausgegangen. Aber Laurence Cukor dachte schaudernd daran, was alles hätte passieren können, wenn er diese Halluzination im Verkehrsgewühl von New York City gehabt hätte.
»Nicht auszudenken«, murmelte Cukor kopfschüttelnd. »Nicht auszudenken.«
Laurence Cukor startete den abgestorbenen Truckmotor. Die Kälte, die zum offenen Seitenfenster hereinwehte, war ihm unangenehm. Er drehte es schnell nach oben.
Da gewahrte er plötzlich einen Mann, den er zuvor nicht gesehen hatte. Der Kerl schien aus dem Acker gewachsen zu sein.
Verwirrt musterte Laurence Cukor den Fremden, der von den beiden Scheinwerferkegeln angestrahlt wurde. Sonderbarerweise hatte Cukor das Gefühl, daß dieser Mann mit seiner Halluzination etwas zu tun hatte.
Cukor wußte zwar nicht, wie er den Unbekannten mit jener Sinnestäuschung in Verbindung bringen sollte, aber er war sicher, daß dieser Kerl dafür die Verantwortung trug.
Den Truckfahrer überlief es kalt. Unbeweglich stand der Fremde vor dem Lkw. Sein zwingender Blick machte Cukor Angst.
Mit einemmal kam Leben in die Gestalt. Der Mann näherte sich dem Truck. Laurence Cukor sah den länglichen Gegenstand, der vor der Brust des Fremden baumelte.
Eine Schlange mit gespreizten Drachenflügeln. Sie sandte ein grün pulsierendes Licht aus, das im Nu den unheimlichen Unbekannten einhüllte.
Im selben Augenblick ging mit dem Fremden eine erschreckende Veränderung vor. Sein Kopf bedeckte sich mit Schlangenschuppen. Dunkle Schlangenaugen starrten dem entsetzten Truckfahrer entgegen.
»Ich habe den Verstand verloren!« schrie Laurence Cukor außer sich. »Ich bin wahnsinnig geworden!«
Verstört wischte er sich mit der Hand über die Augen. Er wollte dieses grauenerregende Bild fortwischen, aber es blieb.
Schwer atmend griff Cukor nach dem Schaltknüppel. Er knallte den Rückwärtsgang ins Getriebe. Dann gab er Gas. Zuviel in seiner großen Aufregung.
Der Motor heulte auf. Die grobstolligen Zwillingsreifen wühlten sich kraftvoll ins Erdreich. Der Truck schaukelte, aber er fuhr nicht zurück.
Und das Monster kam mit geschmeidigen Bewegungen näher!
Laurence Cukor werkte verzweifelt im Fahrerhaus. Er riß den Schaltknüppel hin und her. Er drehte hektisch am Servolenkrad. Er tat alles, was ihm in den Sinn kam, um den Lkw vom Fleck zu bringen.
Der grüne Spuk glitt an der platten Truckschnauze vorbei. Die unheimliche Erscheinung näherte sich der Tür des Fahrerhauses.
Cukors Handflächen waren triefnaß. Auf seiner Stirn perlte der Schweiß. Sein Atem ging stoßweise. Sein Herz trommelte wie verrückt gegen die Rippen.
Der Spuk federte hoch. Nun stand er auf dem Aluminiumtrittbrett des Fahrerhauses. Seine grünen Krallenhände legten sich auf den Türgriff.
Er öffnete die Tür. Laurence Cukors Kehle entrang sich ein heiserer Schrei. Mit beiden Händen packte er die
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