013 - Der Mann, der alles wußte
ebenfalls Abzüge der Aufnahme gefunden. Der Wagen, in dem er zur Zeit fuhr, war natürlich ein anderer als der abgebildete. Einen Kilometer hinter Uckfield hatte man bereits alle Spuren des Autos und seines Besitzers verloren.
An dem Abend, an dem Polizist Wiseman um sieben Uhr fünfunddreißig den Sergeanten Smith gesehen hatte und an dem Mr. Rex Holland in Uckfield beobachtet worden war, kam Frank Merril mit dem Londoner Zug um neun Uhr zwanzig in Eastbourne an. Er war einer der letzten, die die Personensperre passierten.
Als er den Ausgang erreicht hatte, vermißte er zu seinem Ärger seine Fahrkarte. Vergeblich durchsuchte er alle Taschen seines Anzuges und seines Mantels.
»Da muß ich die Fahrt eben noch einmal bezahlen«, meinte er schließlich lächelnd. »Aber vielleicht sind Sie so gut und sehen vorher noch einmal bei mir nach.«
Der gutmütige Beamte, der Frank persönlich kannte, erfüllte seinen Wunsch. Als auch er nichts fand, begleitete Frank ihn zum Bahnhofsbüro. Dort legte er den Inhalt all seiner Taschen auf den Tisch: Geld, Brieftasche, Zigarettenetui und einige Kleinigkeiten.
»Ich muß die Karte aber bei mir haben!«
Plötzlich lachte er laut auf.
»Ach, ich habe sie ja an meinen Hut gesteckt!«
Er nahm ihn ab und überreichte dem Beamten eine Fahrkarte erster Klasse von London nach Eastbourne.
In einem Taxi fuhr er nach Weald Lodge. Er entließ den Chauffeur vor dem Parktor. Nach übereinstimmender Aussage des Chauffeurs und des Polizisten Wiseman, an dem der Wagen vorübergefahren war, geschah das um neun Uhr vierzig.
Mr. Minute war zu dieser Zeit allein. Während der Unterredung mit seinem Neffen wollte er vor allem keine Dienstboten im Hause haben. Er betrachtete diese Leute immer als Spione, die nur darauf ausgingen, ihn zu belauschen, und sein Mißtrauen war vielleicht zum Teil gerechtfertigt.
Um neun Uhr fünfzig, also zehn Minuten nach Franks Ankunft, näherte sich aus der entgegengesetzten Richtung ein Wagen mit hellen Scheinwerfern und hielt vor dem Tor von Weald Lodge. Polizist Wiseman war in der Nähe und beobachtete, wie ein Mann eilig ausstieg und dann schnell im Park verschwand.
Wiseman ging langsam die Chaussee entlang auf das Haus zu. Um neun Uhr dreiundfünfzig befand er sich dem Hauptgebäude gegenüber und sah einen Augenblick in einem der oberen Fenster Licht aufblitzen. Gleich darauf fielen kurz nacheinander zwei Schüsse, und er hörte einen gellenden Schrei. Eine Sekunde lang stand er wie gelähmt, aber dann schwang er sich über die Mauer, bahnte sich einen Weg durch das Gesträuch und kam auf den offenen Rasen. Heller Lichtschein fiel aus der Glastür der Bibliothek.
Wiseman eilte in das Zimmer, blieb aber plötzlich stehen.
John Minute lag auf dem Boden, und der Polizist brauchte kein Arzt zu sein, um zu erkennen, daß der Millionär tot war. Neben ihm lag eine schwere Armeepistole. Mechanisch bückte sich Wiseman, nahm die Waffe auf und faßte dann den anderen Mann scharf ins Auge, der sich noch in dem Raum befand.
»Das ist eine böse Sache, Mr. Merril«, sagte er schließlich.
Frank hatte sich über seinen Onkel gebeugt, als der Polizist eintrat. Aber jetzt richtete er sich auf. Er sah bleich aus, war aber vollkommen gefaßt und ruhig.
»Ich hörte, wie die Schüsse fielen, und kam schnell herein«, erwiderte er.
»Bleiben Sie stehen, wo Sie augenblicklich sind«, entgegnete der Polizist und trat schnell auf den Rasen hinaus. Lang und schrill tönte seine Alarmpfeife. Dann kehrte er zur Bibliothek zurück.
»Das ist wirklich eine böse Sache, Mr. Merril«, wiederholte er.
»Da haben Sie recht«, entgegnete Frank leise.
»Ist das Ihre Waffe?«
Frank schüttelte den Kopf.
»Nein, ich habe die Pistole vorher noch nie gesehen.«
Wiseman dachte so schnell, wie es ihm möglich war. Zweifellos hatte dieser unglückliche junge Mann die beiden Schüsse abgefeuert, die Mr. Minute getötet hatten.
»Bleiben Sie hier«, sagte er noch einmal.
Er kam sich außerordentlich wichtig vor, trat wieder auf den Rasen hinaus und ließ seine Signalpfeife zum zweitenmal ertönen. Dann ging er über den Rasen zur Zufahrtsstraße und weiter in Richtung auf die Chaussee. Er hatte kaum ein Dutzend Schritte gemacht, als er eine dunkle Gestalt durch die Sträucher schleichen sah. Im nächsten Augenblick packte er den Mann, leuchtete ihm mit seiner Taschenlampe ins Gesicht, ließ ihn dann aber sofort wieder los.
»Ich bitte um Verzeihung, Sergeant«, sagte er
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