0132 - Der Todesnebel
Monster!
Sein Gesicht erinnerte nur noch an eine verzerrte Steinfratze.
Schief und, grau. Die Nase wuchs nach links, ein Auge hing tiefer, als hätte es jemand in die Höhle hineingestoßen, und sein Mund war kaum noch zu sehen.
Aus dem Loch im grauen Gesicht drang ein fürchterliches Ächzen. »Die Nebelgeister!« keuchte er. »Sie werden kommen, und ich bereite ihnen den Weg!«
Er lachte auf. Kehlig und kratzig hörte sich das Lachen an. Aber auch schaurig. Schwer fiel Billy nach vorn und stützte seine Hände auf der Tischplatte.
Erst jetzt überwand Harriet ihre Erstarrung. Sie schüttelte den Kopf, zitterte und wußte, daß dieses Monster sie wohl nicht am Leben lassen würde.
Mit einem Ruck schleuderte er den Tisch zur Seite.
Jetzt hatte er freie Bahn.
Aus seinem Maul drangen Wortfetzen. »Kriege… dich … töten … Nebel … kommt …«
Er ging auf seine Frau zu. Ungelenk, mit steifen Schritten, aber mit einem Blick, in dem die Mordabsicht zu lesen stand. Er würde töten, und er würde sie töten.
Fieberhaft suchte Harriet nach einem Ausweg. Wie sollte sie das Monster stoppen?
Ihr Blick suchte das Kreuz. Ja, damit mußte sie es schaffen können. Schließlich hatte sich Billy daran verbrannt. Das Zeichen des Guten, das er nicht vertrug.
Innerhalb dieser wenigen schlimmen Sekunden hatte sich die Frau fast vollständig von ihrem Mann gelöst. Er bedeutete ihr nichts mehr, alles war vergessen, was sie noch in den letzten Monaten so aneinandergebunden hatte.
Irr lachte sie auf. Das Lachen wurde zu einem regelrechten Bellen, als Harriet sich nach vorn warf und das Kreuz zu fassen bekam, noch bevor ihr Mann zupackte.
Sofort riß sie es hoch.
Billy wollte sich auf seine Frau stürzen. Sie kniete am Boden, nichts konnte mehr schiefgehen, doch da hielt ihm Harriet das Kreuz entgegen.
»Stopp!« brüllte sie aus Leibeskräften. Sie wirkte in diesen Augenblicken wie eine rächende Furie. Das Haar hatte sich gelöst, fiel in die Stirn, und ihr Gesicht war eine Grimasse aus Angst und Panik.
Billy stoppte in der Tat. Das Kreuz irritierte ihn, allein sein Anblick bereitete ihm körperliches Unbehagen. Für ihn mußte dieses Kruzifix die Hölle sein.
Er wankte zurück.
Harriet stand auf. Sie wußte auch nicht, woher sie den Mut nahm, auf ihn einzureden, aber sie tat es.
»Zur Hölle mit dir, Verfluchter!« brüllte sie. »Fahr zum Teufel. Ich will dich nicht mehr sehen. Weg, weg…«
Billy ging zurück. Sein Gesicht bewegte sich. Der Stein, der früher seine Haut war, knisterte. Mit jedem Schritt, den seine Frau vorging, lief er zurück.
Harriet gewann Oberwasser. Sie wußte selbst, daß sie es nicht mehr lange durchhalten konnte. Dies hier war eine Streßsituation, die an ihren Nerven zerrte.
Sie standen dicht vor der Zerreißprobe!
Wann würde sie schlappmachen?
Ihre Lippen bewegten sich. Sie murmelte Gebete, der Herrgott mußte ihr doch helfen…
Sie trieb Billy quer durch die Küche, bis zu dem alten Holzschrank, bei dem eine der Schubladen zur Hälfte offenstand.
Gegen die Kante stieß er mit der Hüfte.
Dieser Anprall setzte eine Idee in Billys Gehirn frei. In der Schublade lagen die Küchenmesser.
Ohne nachzuschauen, griff er hinein und bekam eines der Messer zu packen.
Ein besonders scharfes, mit dem sie das Fleisch teilten. Er wechselte es sofort in die linke Hand, da er an der rechten die Verletzung hatte.
»So!« knurrte er tief in seiner Kehle. »Jetzt bist du dran, Weib. Du entkommst mir nicht.« Er drehte das Messer so, daß die Klinge nach oben zeigte.
Harriet zitterte. Sie blieb wie angewurzelt stehen, denn trotz ihres Kreuzes bekam sie es mit der Angst zu tun. Ein Messer war gefährlicher, damit konnte er sie töten, ohne daß ihr das Kreuz etwas nutzte.
Billy schlich näher.
Er wollte dicht an seine Frau heran, um sie mit einem einzigen Stoß vom Leben in den Tod zu befördern.
»Bleib stehen!« flüsterte Harriet. »Geh keinen Schritt weiter, oder ich…«
»Was willst du denn?« höhnte er, wobei sich sein Gesicht abermals verzog. »Sag schon, was willst du? Mich stoppen? Nein, Weib, das schaffst du nicht. Du fährst zur Hölle!« Er lachte böse und ging wieder einen Schritt vor.
Da schlug Harriet mit dem Kreuz zu.
Es war eine aus der Panik herausgeborene Reflexhandlung, weil sie sich anders nicht mehr zu helfen wußte. Sie drosch das Kreuz nach unten, wollte ihren Mann damit treffen, doch er warf sich im selben Moment nach vorn.
Kreuz und Klinge rasten
Weitere Kostenlose Bücher